Dortmund.
Milos Jojic wollte den Rasen gar nicht mehr verlassen. Die Feier der Dortmunder Spieler mit der Südtribüne hatte er nach dem schönen 4:0-Erfolg über die Frankfurter Eintracht schon mitgenommen. Anschließend machte sich der 21-Jährige noch einmal selbst auf den Weg, um Halme zu erkunden und Atmosphäre zu genießen. Erst als sich sogar der Kollege Pierre-Emerick Aubameyang zum Interview verabschiedete, gab Jojic, der Winterneuzugang des BVB, endgültig auf. Arme hoch, dem Restpublikum Applaus spenden, und hinein in die warme Stadionhöhle.
Hätte der Serbe nur ein wenig länger ausgeharrt, er hätte sich noch übersetzen lassen können, was Norbert Dickel, der alte Pokalheld und Stadionsprecher der Schwarzgelben, verkündete. 17 Sekunden hatte die frische und vielversprechende Fachkraft, die von Partizan Belgrad kam, nach der Einwechslung in Minute 68 gebraucht, um das erste Tor in der Bundesliga zu erzielen.
Nie zuvor konnte ein Debütant schneller treffen. Dickel war begeistert. Und wenn Dickel begeistert ist, dann hören das alle genau so gut, wie wenn er nicht begeistert ist. Vergangenen Dienstag, als es im Pokal-Viertelfinale ebenfalls gegen die Eintracht ging, war Dickel nicht begeistert. Er wurde bei diesem Spiel, das vom BVB-Netradio übertragen wurde, darauf hingewiesen, dass der Frankfurter Sebastian Rode im Sommer zu den Bayern wechseln würde, so wie Robert Lewandowski, der Ausnahmeangreifer der Borussia. Dickel reagierte spontan und haute einen Satz raus, mit dem er den unantastbaren Tabellenführer tief unten treffen wollte: „Kauft euch doch 400 Spieler und gründet eure eigene Liga.”
Das ist auch Teil der Geschichte der zweiten Partie gegen die Auswahl von Trainer Armin Veh innerhalb einer Woche. In Partie eins, bei der Nur-0:1-Niederlage, hatte Veh das feinste Personal auf das heimische Feld gebracht, das ihm zur Verfügung stand, weil der Cup bekanntlich eigene Gesetze hat. In der Ligapartie vom Samstag fehlten Rode, Johannes Flum und Carlos Zambrano. Der Plan dahinter: Schonung für den nächsten Einsatz gegen Werder Bremen, Schonung für den Auftritt gegen einen Gegner, der als Konkurrent im Kampf um die vor dem Abstieg bewahrenden Plätze ausgemacht ist. Bei der Auseinandersetzung mit den Bayern war dieser Plan bereits aufgegangen. Schonung gegen den Giganten. Anschließend Sieg gegen Aufsteiger Eintracht Braunschweig. Nicht einmal in den Mantel des Geheimnisses hüllt Veh seine Absichten: „Ich muss daran denken, dass wir unser Ziel erreichen, und das heißt: drei Mannschaften hinter uns lassen.“
Dortmund hat sich natürlich dennoch gefreut. Zwei frühe Tore von Aubameyang, der sein Trefferkonto auf insgesamt 13 aufstockte und erahnen ließ, warum die BVB-Führung bei der Suche nach einem Nachfolger für Lewandowski nicht in Hektik verfällt. Ein Elfmetertor von Lewandowski, der sein Konto auf 14 erhöhte und grinsend festhalten konnte: „Zusammen sind wir nicht einzuholen.“ Das alles mit sichtlich zurückgewonnener Leichtigkeit erspielt und jeweils „zum perfekten Zeitpunkt” (10., 21., 47. Minute) in ein Resultat verwandelt, wie Jürgen Klopp anmerkte. Dazu auch noch der Schuss nach Sekunden, abgefeuert von Jojic, allerdings zu einer Zeit, in der selbst Wett-Hasardeure keinen Groschen mehr auf eine Wende gesetzt hätten. Wunderbar. Aus der Perspektive des BVB wahrgenommen, der den ersten Heimsieg seit Anfang November einfuhr.
Zu große Kluft
Veh wirkte aber auch entspannt. Er wünschte der Borussia „viel Glück“ auf dem Weg zur Teilnahme an der Champions League, fügte aber an: „Nicht für den ersten Platz natürlich, weil ihr das eh nicht mehr schafft.“ Und das war wohl nicht einmal spitz gemeint. Der Trainer, der als Erster den gewaltfreien Protest gegen die Übermacht der Klubs übt, die seriell Multimillionen aus der Königsklasse pressen, indem er gegen sie seine Mannschaft nicht mehr aufreibt, sieht noch die Unterschiede. Bayern thront über den Wolken, dahinter, findet Veh, gibt es aber auch noch eine „zu große Kluft“ zwischen oben und unten. Deshalb: nur nicht überanstrengen.