Gelsenkirchen.

Trainer von Traditionsvereinen durchleben derzeit schwere Zeiten. Dem Trend zum Trotz schritt Jens Keller am Sonntag abend entspannt auf den Rasen der Schalker Arena, um jeden seiner Spieler innig zu umarmen. Die blau-weißen Festwochen wurden fortgesetzt, beim 2:0 gegen Hannover 96 gelang dem FC Schalke 04 bereits der dritte Sieg im dritten Rückrundenspiel – ein Traumstart ins Jahr 2014.

„Wir haben eine nahezu perfekte erste Halbzeit gespielt, zwei wunderschöne Tore gemacht und auch in der zweiten Halbzeit defensiv gut gestanden“, bilanzierte Keller hochzufrieden, und auch Manager Horst Heldt sang ein Loblied auf die Mannschaft: „Es war eine sehr reife Leistung. Viele Spieler sind an ihre Topform herangekommen.“

Tatsächlich begeisterten die Schalker, die häufig sogar nach Siegen für ihre uninspirierte und unausgewogene Spielweise kritisiert worden waren, diesmal ihr Publikum: Sie kombinierten flüssig und kämpften leidenschaftlich, nachdrücklich untermauerten sie ihre Ansprüche auf einen Champions-League-Rang.

Tayfun Korkut, der neue Trainer der Niedersachsen, hatte die unter seiner Regie zuvor noch ungeschlagenen Niedersachsen mit zwei eng beieinander stehenden Viererketten auf disziplinierte Defensivarbeit ausgerichtet – doch die Schalker fanden immer wieder Lücken. Und sobald die Hannoveraner zu kontern versuchten, warfen sich ihnen die Königsblauen kraftvoll und willensstark entgegen. Mehrmals wurden Bälle im Mittelfeld per Grätsche erobert – die Zuschauer spendeten wiederholt Szenenapplaus.

Mit zwei Toren zum Zungeschnalzen belohnte sich Schalke dann vor der Pause. Beim 1:0 schickte Chinedu Obasi Außenverteidiger Sead Kolasinac mit einem Hackentrick die Linie entlang, der junge Nationalspieler von Bosnien-Herzegowina zog unwiderstehlich bis zur Grundlinie und dann weiter nach innen, sein genaues Zuspiel verwertete Jefferson Farfan in der 39. Minute. Ebenso sehenswert war der zweite Treffer eine Minute vor der Pause: Kevin-Prince Boateng wechselte mit einem weiten Pass auf Jefferson Farfan die Seite, der Peruaner spielte perfekt durch eine Lücke auf den mitgelaufenen Rechtsverteidiger Atsuto Uchida, und dessen klugen Pass in den Rücken der Abwehr veredelte Max Meyer zum 2:0.

In der zweiten Hälfte war das Spiel der Schalker etwas weniger beeindruckend als in der ersten, dennoch aber hatten sie weiterhin alles unter Kontrolle. Die Hannoveraner bekamen keinen Zugriff, weil Schalke nach wie vor mit hoher Konzentration arbeitete. Diesmal glänzte nicht nur die bekanntlich hochkarätig besetzte Offensive, auch Abwehrspieler wie Sead Kolasinac und Joel Matip lieferten überragende Leistungen ab, und Kevin-Prince Boateng spielte in seiner neuen Rolle als aus dem hinteren Mittelfeld agierender Stratege erneut fehlerlos.

Und wieder neue Verletzte

Nach vielen vergeblichen Anläufen in der Hinrunde scheinen die Schalker nun endlich zur nötigen Stabilität gefunden zu haben. Das ist zu diesem Zeitpunkt umso erstaunlicher, weil auch an diesem Sonntag wieder neue Namen in die ohnehin schon lange Verletztenliste eingetragen wurden. Gegen Hannover fehlten Benedikt Höwedes, Julian Draxler, Christian Fuchs, Dennis Aogo, Marco Höger und Christian Clemens, und am nächsten Samstag im Top-Spiel bei Bayer Leverkusen werden auch noch Roman Neustädter und Atsuto Uchida ausfallen. Neustädter musste nach einem Tritt von Szabolcs Huszti nach einer halben Stunde ausgewechselt werden, eine Wunde am Knie wurde genäht. Und Uchida humpelte in der Schlussphase mit einem Muskelfaserriss vom Feld, wie ihn auch Höwedes wieder plagt.

Aber Schalke hat langfristig vorgesorgt – die bekannt gute Jugendarbeit zahlt sich weiter aus. Am Sonntag präsentierte sich der 19-jährige Kaan Ayhan, der zuvor erst wenige Minuten Bundesliga-Luft geschnuppert hatte, als Neustädters Vertreter sicher wie ein Routinier. „Wir sind froh, dass wir solche hungrigen Spieler noch in der Hinterhand haben“, sagte Jens Keller. Er wird sie in den nächsten Wochen auch weiterhin dringend brauchen.