Dortmund. .
Weit nach dem Schlusspfiff ist das Stadion von Borussia Dortmund leer, das Licht heruntergedimmt. Nur in der vierten Etage, wo das vereinseigene Museum zu finden ist, ist es, als wären noch Gäste da. Im dortigen Kinosaal reanimiert die Leinwand Gefühle von gestern: Der Fußball-Meister Borussia Dortmund gewinnt gerade gegen Bayern München den DFB-Pokal. Es sind fabelhafte Bilder aus dem Jahre 2012. Die Bilder flimmern vor gelben Sitzschalen ins Nichts - und beschweren die Gegenwart zusätzlich. Im Hier und Jetzt hatten die Borussen ein 2:2-Unentschieden gegen den FC Augsburg zustande gebracht. Das allein rechtfertigt nicht den Zustand fortgeschrittener Sorge im schwarz-gelben Wunderland der vergangenen Jahre. Doch die Begleitumstände dieses Ergebnisses führten zu Enttäuschung, Wut und auch ein wenig Ratlosigkeit.
Schließlich war dies das erste Spiel des neuen Jahres. Das alte hatte ernüchternd geendet, mit Niederlagen, mit überschaubaren Leistungen, die Trainer Jürgen Klopp erstens auf ein langes und anstrengendes Jahr zurückführte, an dessen Ende ein paar Promille an Bereitschaft fehlten, und zweitens auf die vielen Verletzungen, die seine schöne Startelf beinahe bis zur Unkenntlichkeit entstellt hatten. Die Winterpause sollte eine Zäsur sein, das Schlechte über Bord, auf zu neuen Ufern. Vieles sollte besser werden, doch nach 90 Minuten gegen einen guten, keineswegs überragenden Gegner blieb die trübe Erkenntnis, dass alles ist, wie es zuletzt war.
Wieder verletzte sich ein wichtiger Spieler (siehe Zusatztext), wieder verschenkte der BVB in einem Heimspiel Punkte, die im Kampf um die Qualifikation für die Champions League fest eingeplant waren, wieder - und das ist das eigentlich Besorgnis erregende - lieferte Dortmund trotz aller Ankündigungen und Schwüre für 2014 ein Spiel zum Vergessen. Der Ort, an dem die Spektakel vor gar nicht allzu langer Zeit noch entsprangen wie frisches Popcorn, lässt derzeit nichts erahnen von Spaß und Freude. Oder von Klopps Motto, dass das Erlebnis vor dem Ergebnis steht. Der BVB bot zuletzt weder das eine noch das andere.
Der Champions-League-Finalist des Vorjahres steckt in einer Krise. Sven Bender und Nuri Sahin hatten jeweils nach einer Standardsituation eine Führung herbeigeführt, doch Bender mit einem Eigentor und der ab Sommer beim BVB beschäftige Stürmer Dong-Won Ji hatten für den Ausgleich gesorgt. Mehr als eine Viertelstunde blieb dem Klopp-Klub noch, um aus einem drei Punkte zu machen. Es war die Viertelstunde, die die versammelte Gemeinschaft der Borussen am nachdrücklichsten irritierte, weil dem BVB die Überzeugung fehlte, noch etwas bewegen zu können. Dort, wo Malaga und Madrid vor nicht einmal einem Jahr bemitleidenswerte Opfer Dortmunder Überzeugung wurden, nahm Augsburg nun gelassen und verdient einen Punkt mit.
Spaß ist schwer zu verordnen
„Wir hatten uns so viel vorgenommen, dass das zu einer Verkrampfung geführt hat. Je länger das Spiel dauerte, desto schlimmer wurde es“, diagnostizierte Jürgen Klopp nach dem Spiel: „Uns ist komplett die Leichtigkeit abgegangen.“ Stellvertretend für das gesamte Ensemble steht der Solist Henrikh Mkhitaryan, der grätscht und Bälle am eigenen Strafraum gewinnt, aber in der Offensive bisweilen fahrig und uneffektiv bleibt.
Es wird Klopps Aufgabe sein, die Leichtigkeit wieder zum Vorschein zu bringen, und zwar möglichst schnell. Nur wie? Spaß ist schwer zu verordnen. „Wir werden jetzt nicht im Training im Kreis tanzen und am Freitag in Braunschweig mit bunten Kappen auflaufen“, sagt Klopp. Soll heißen: Gravierende Veränderungen braucht es nicht, eher Feinjustierungen an Bestehendem. Vielleicht reicht es aber auch, den Spielern eine Mannschaft zu zeigen, die scheinbar leicht zu ihren Siegen schwebte. Plätze im schwarz-gelben Kinosaal sind samstagabends ausreichend vorhanden.