Oberstdorf. .
Kamil Stoch. Gregor Schlierenzauer. Thomas Morgenstern. Severin Freund. Alle waren sie als mögliche Sieger beim Auftaktspringen der Vierschanzentournee gehandelt worden. Keiner von ihnen hat’s geschafft. Simon Ammann heißt der Gewinner. Mit zwei überragenden Sprüngen distanzierte der Schweizer seine Konkurrenten. Zweiter wurde der Norweger Anders Bardal vor den punktgleichen Peter Prevc (Slowenien) und Thomas Diethart (Österreich).
Schafft Simon Ammann im reifen Skisprungalter von 32 Jahren, wonach er seit langem strebt? „Ich habe mit der Vierschanzentournee noch nicht abgeschlossen“, sagte Schweizer in Oberstdorf. Zweimal war er Zweiter in der Endabrechnung, einmal Dritter. Den Gesamtsieg holten stets andere, egal wie gut die Form des viermaligen Olympiasiegers im Vorfeld auch war.
Gestern war sie überragend. „Simmi ist volles Risiko gegangen, er ist der würdige Sieger“, lobte Österreichs Sportdirektor Ernst Vettori. Was ihm sicher nicht ganz leicht fiel. Vor allem Gregor Schlierenzauer war mit seinem neunten Platz nicht zufrieden. Er hat nach dem ersten Springen bereits mehr als 20 Punkte Rückstand.
Doch auch Werner Schuster hatte sich mehr erhofft. „Ich bin gespalten“, sagte der Bundestrainer in einer ersten Analyse. Platz acht erreichte Marinus Kraus, Zehnter wurde Severin Freund vor Michael Neumayer. Auf Platz 15 folgte Andreas Wank. Eine solide Mannschaftsleistung. „Man muss sagen, dass es uns nicht gelungen ist mit den Besten der Welt mitzuhalten“, gab Schuster unumwunden zu. Für die nächste Station Garmisch-Partenkirchen fordert er einen gewaltigen Schritt nach vorne.
Gar nicht aufhören mit Grinsen wollte aber Marinus Kraus. Der 22 Jahre alte Springer aus Oberaudorf kannte zunächst nur ein Wort, wiederholte dies aber unendlich: „Wahnsinn, Wahnsinn, Wahnsinn.“ Irgendwann erinnerte sich der Aufsteiger dieser Saison auch wieder an andere Worte. „Es ist schon ein wahnsinniges Gefühl vor Gregor Schlierenzauer platziert zu sein.“
Die nähere Bekanntschaft hatte Kraus bereits beim Weltcupspringen in Kuusamo mit dem Sieger der beiden vergangenen Vierschanzentourneen gemacht. Mit nur 0,5 Punkten Abstand war er Zweiter hinter dem Österreicher geworden. „Der Gregor, glaube ich, hat sich damals sogar mit mir gefreut“, sagte er vor dem Springen. Nach diesem sensationellen Auftakt war die Flugkurve des Bayern, der als kleiner Junge gemeinsam mit Andreas Wellinger mit der Nordischen Kombination begonnen hatte, etwas flacher geworden. Zuletzt aber hatte er zweimal den Finaldurchgang erreicht. „Mich freut besonders, dass Marinus wieder in die Spur gefunden hat“, lobte Coach Schuster.
Darauf hofft natürlich auch Severin Freund. „Im zweiten Durchgang war eine Ecke im Sprung“, sagte der Mann aus Rastbüchl im Bayrischen Wald, „da ist man schnell mal Zehnter.“ Doch bei der Suche nach den verlorenen Metern machte er sich gleich Mut, dass noch sechs Sprünge kommen würden. „Ich hoffe nicht, dass mir dasselbe wie im vergangenen Jahr passieren wird.“ Damals hatte er das Finale in Bischofshofen verpasst und damit einen möglichen dritten Platz in der Endabrechnung vergeben.
Wie entscheidend die Erwartungshaltung sich in der Betrachtungsweise niederschlägt, dafür ist Michael Neumayer das beste Beispiel. Einen Platz hinter Freund erreicht, bewertete er seinen Wettkampf: „So kann’s weitergehen.“ Gleich kamen bei ihm Erinnerungen an die Tournee 2007/2008 auf, die er als Dritter beendete. Doch der 34 Jahre alte Berchtesgadener, ist dabei neue Prioritäten zu setzen. Er überlegt im Frühjahr aufzuhören.
Diese Gedanken macht sich auch Simon Ammann. Nach einem möglichen Tourneesieg, eventuell einer Medaille bei Olympia wäre doch der ideale Zeitpunkt. Nicht unbedingt. „Wenn ich das Gefühl habe, dass ich noch ein Genussjahr brauche und mich überall verabschieden muss, dann werde ich das tun.“