Oberstdorf. .
Ein unbekümmerter Youngster, ein unbeschwerter Rückkehrer und ein unaufgeregter Frontmann: Mit einem schlagkräftigen Dreigestirn an der Spitze wollen die deutschen Ski-Adler bei der 62. Vierschanzentournee der starken Konkurrenz davon fliegen. Andreas Wellinger, Richard Freitag und vor allem Severin Freund tragen die Hoffnungen auf den ersten Tagessieg seit elf Jahren und träumen insgeheim sogar vom ersten Gesamttriumph seit Sven Hannawald im Winter 2001/02.
„Wir wollen nicht die Ära von Hannawald und Schmitt zurückholen, sondern eine eigene beginnen“, verkündete Freund vor dem Auftakt am Wochenende in Oberstdorf.
Auch wenn im Vorfeld nicht alles nach Plan lief, sieht Skisprung-Bundestrainer Werner Schuster seine Schützlinge für das erste große Kräftemessen im Olympia-Winter gerüstet. „Drei Spitzenspringer sind recht viel, mehr hat keine andere Nation. Der Sieg ist trotz der enormen Konkurrenz für uns möglich“, sagte Schuster.
Gleich fünfmal standen seine Schützlinge in dieser Saison bereits auf dem Podium, Freund in Lillehammer sogar ganz oben. Dorthin will der 25 Jahre alte Bayer auch bei der Tournee. „Ich bin bereit für den Sieg, aber es wollen sehr, sehr viele nach ganz oben. Bei der Leistungsdichte kann es schnell hoch, aber auch runter gehen. Es wird ein schwieriger, aber auch interessanter Wettkampf“, erklärte Freund.
Severin Freund als heißeste Aktie
Obwohl es bei der Generalprobe kurz vor Weihnachten in Engelberg nicht rund lief, gilt Freund im deutschen Team als der aussichtsreichste Anwärter auf Top-Resultate. „Er ist die heißeste Aktie. Mir gefällt sein gesamtes Paket. Er hat die meiste Erfahrung und ist sehr fokussiert. Sein System funktioniert, daher bin ich sehr zuversichtlich“, sagte Schuster. Favoriten sind für ihn jedoch andere: „Die drei Topkandidaten sind Kamil Stoch, Anders Bardal und Gregor Schlierenzauer. Severin Freund ist die Nummer vier“, so der Bundestrainer.
Seit seiner Amtsübernahme im Frühjahr 2008 hat der 44 Jahre alte Österreicher die damals flügellahmen deutschen Springer wieder flott bekommen und sukzessive in die Weltspitze zurückgeführt. Doch während es im Weltcup seither regelmäßig Siege zu bejubeln gibt, steht ein Erfolg bei einem Großereignis noch aus.
Diesen Makel würden die DSV-Adler bei der 62. Auflage der deutsch-österreichischen Traditionsveranstaltung, die mit einem Rekordpreisgeld von rund 257 000 Euro lockt, nur allzu gerne tilgen. „Selbst wenn man schon Weltcupsiege hat – ein Podiumsplatz bei der Tournee ist noch einmal etwas anderes“, hob Freund die Bedeutung des ersten Highlights im Olympia-Winter hervor.
Dabei will auch Andreas Wellinger eine gute Figur abgeben. „Es ist eine Herausforderung, nach dem ersten Jahr, in dem ich im Mittelpunkt stand, wieder vorne dabei zu sein und mich zu stabilisieren“, verkündete der 18-Jährige. Mit Platz zwei beim vorweihnachtlichen Weltcup in Engelberg deutete er an, dass mit ihm zu rechnen ist. „Ich würde ihn auf jeden Fall nicht von der erweiterten Kandidatenliste streichen“, betonte Schuster.
Richard Freitag ohne Druck
Als Geheimwaffe geht Richard Freitag in die Wettkampfserie. Nach einer zehnwöchigen Auszeit wegen eines Mittelfußbruches lastet kein Druck auf dem 22 Jahre alten Sachsen. „Als seriöser Tournee-Topkandidat fällt er raus. Aber er kann richtig gut springen und überraschen. Er hat nichts zu verlieren“, erklärte der Bundestrainer.
Freitag selbst gibt sich cool: „Ich fühle mich fit und bin motiviert, gute Sprünge zu zeigen. Aufgrund des Saisonverlaufs gehöre ich sicher nicht zu den Top-Favoriten. Dies ist eine Situation, die ich für mich bestmöglich nutzen möchte.“