San Sebastián. .
Rudi Völler genoss Rotwein und eine Sieger-Zigarre, Matchwinner Ömer Toprak feierte mit einem türkischen Tanz, Lars Bender träumte vom ersten Titel seit 21 Jahren. Zwei Wochen nach der 0:5-Blamage gegen Manchester United ist Bayer Leverkusen wieder obenauf. Und vielleicht hat gerade diese Demütigung Bayer noch weiter reifen lassen, der vermeintliche 0:5-Albtraum gilt jedenfalls nun als heilsamer Schock.
„Im Nachhinein ist es besser, dass wir nicht nur 1:0 verloren, sondern richtig auf den Sack bekommen haben“, sagte Nationalspieler Bender, nachdem das neue, reifere Bayer durch einen souveränen 1:0 (0:0)-Erfolg bei Real Sociedad San Sebastián das Achtelfinale der Champions League erreicht hatte: „Das hatte offenbar einen Hallo-Wach-Effekt.“
Michael Schade schritt nach Mitternacht im noblen Hotel Maria Cristina sichtlich stolz zum Mikrofon. „Was für eine Woche“, sagte der neue Geschäftsführer. Nachdem er vor zwei Wochen gemeinsam mit Sportchef Völler schon „scherzhaft überlegt“ habe, „ob wir das Fußballspielen in Leverkusen nicht besser einstellen sollten“, freute sich Schade nun über den ersten Auswärtssieg in der Königsklasse seit elf Jahren. Über zusätzliche Einnahmen, über unbezahlbares Renommee und darüber, weiter auf der großen Bühne mitzuspielen. „Statt in den Ural oder die Kälte von Trondheim geht es nun nach London, Barcelona, Madrid oder Paris“, betonte er.
Zwei Stunden zuvor hatten die Bayer-Profis, die bis zum Tiefpunkt gegen Manchester regelmäßig in entscheidenden Spielen gegen starke Gegner eingeknickt waren, „ein ganz wichtiges Zeichen gesetzt“ (Völler). Von übergroßem Respekt vor dem Gegner oder Angst vor der eigenen Courage war nichts mehr zu sehen. „Das“, stellte Völler hochzufrieden fest, „war wieder unser Dortmunder Gesicht.“ Jenes Gesicht also, das Bayer bereits am Samstag in der Bundesliga beim BVB (1:0) gezeigt hatte. Und weil Bayer nun auch in den großen Spielen Großes leistet, scheint ein Titel nicht mehr außer Reichweite. Das wäre ein Durchbruch: Schließlich hat der seit vielen Jahren zur nationalen Spitze gehörende Klub seit dem Pokalsieg 1993 keine Trophäe mehr errungen.
Verstärkungen sind möglich
„Wir können stolz sein auf das, was wir in den letzten 18 bis 20 Monaten erreicht haben“, erklärte deshalb Torjäger Stefan Kießling: „Aber wir haben noch nichts, was wir in die Vitrine stellen können.“ Weil der nur vier Punkte vorne liegende Bundesliga-Spitzenreiter Bayern München „immer noch in einer anderen Liga spielt“ (Völler) und in der Champions League niemand auf den Titel spekuliert, genießt der DFB-Pokal bei Bayer nun einen riesigen Stellenwert. „Das Pokalfinale ist ein Ziel, dafür spielt man Fußball“, sagte Kießling. Bender wurde noch deutlicher: „Wir haben die Möglichkeit, dort was zu reißen. Im Pokal kann man sehr schnell zu einem Titel kommen.“
Der Erfolg sorgt aber auch für Mittel, das Team im Winter weiter zu verstärken. Zum Beispiel mit Kevin de Bruyne (FC Chelsea), um den allerdings die halbe Liga buhlt. „Natürlich gibt es die Überlegung, was zu tun“, erklärte Völler.
Die Breite im Kader fehlt zwar immer noch, doch dafür entwickeln sich viele junge Spieler beeindruckend weiter. Wie Toprak, der drei Tage nach dem vielleicht besten Spiel seiner Karriere in Dortmund sein wichtigstes Tor folgen ließ. „Kies hat diesmal irgendwie nicht getroffen, also musste ein Verteidiger ran“, sagte der 24-Jährige. Den türkischen Tor-Tanz „hatten Emre Can, Eren Derdiyok und ich vorher geplant, für den Fall, dass einer von uns ein Tor schießt“, erklärte Toprak: „Dass ausgerechnet ich das Tor schieße, hätte ich aber nicht gedacht.“