London. .
Hans-Joachim Watzke hatte seine Hände tief in den Manteltaschen vergraben, als er mit versteinerter Miene durch die Katakomben des Wembley-Stadions stapfte. Der Geschäftsführer von Borussia Dortmund verschwand nach dem Testspiel der Fußball-Nationalmannschaft in London in der deutschen Kabine - und kam mit noch schlechterer Laune wieder heraus. Er hatte seine Angestellten Mats Hummels und Marcel Schmelzer besucht. Beide mussten beim 1:0-Sieg zuvor verletzt ausgewechselt werden. Beide werden dem BVB wochenlang fehlen.
„Mats konnte gar nicht laufen. Da brauchte man keine große Fantasie, um zu ahnen, dass das eine schlimmere Verletzung war“, sagt Watzke am Mittwochmittag, als die medizinischen Untersuchungen abgeschlossen und die niederschmetternden Diagnosen gestellt sind. Dortmunds Abwehrchef Hummels erlitt einen knöchernen Bandausriss an der rechten Ferse und fällt wahrscheinlich bis Mitte Januar aus. Bei Linksverteidiger Schmelzer riss eine Muskelfaser in der Wade, er fällt drei Wochen lang aus. Nachrichten, die nach den Debatten über Gleichverteilung der Belastungen und Verletzungsrisiken wie eine absurde Pointe klingen.
Am Samstag geht es für den BVB im Superlativspiel gegen den FC Bayern München darum, die Spannung in der Liga aufrecht zu erhalten. Und vier Tage später wartet in der Champions League das Heimspiel gegen den SSC Neapel, das um jeden Preis gewonnen werden muss, wenn Schwarz-Gelb seine Chancen auf das Achtelfinale wahren will. Spiele, in denen für den BVB der weitere Saisonverlauf auf dem Spiel steht. Spiele, in denen nun die gesamte Viererkette ausfallen wird. Von der Formation, die vor einem halben Jahr den Bayern im Champions-League-Finale das Leben so schwer machte, bleibt kein Einzelteil mehr übrig. Zeitpunkt und Ausmaß des Problems könnten gravierender kaum sein.
Lukasz Piszczek ist nach langer Verletzung gerade erst wieder im Training, Neven Subotic zog sich im jüngsten Bundesligaspiel in Wolfsburg einen Kreuzbandriss zu. Nun fallen auch Hummels und Schmelzer aus. Ein schwarz-gelber Achsbruch bei rasanter Fahrt. Und ein europaweit wohl einmaliges Pech. „Das ist unglaublich, eine Verkettung unglücklichster Umstände“, sagt Watzke, der BVB-Boss: „Das vergrößert unsere Chancen in den beiden kommenden Spielen nicht.“
Ausgerechnet gegen die Stars aus München muss der BVB nun zum ersten Mal eine komplette Abwehr aus Hilfsarbeitern aufbieten. Der gelernte Mittelfeldspieler Kevin Großkreutz hat als Rechtsverteidiger in den vergangenen Wochen seine Klasse unter Beweis gestellt gesetzt, Talent Erik Durm hat schon bewiesen, dass er Schmelzer auf der linken Seite zumindest kurzfristig ersetzen kann. Sokratis wird eine Planstelle in der Innenverteidigung einnehmen. Und neben ihm wird sehr wahrscheinlich der eigentlich dem fußballerischen Ruhestand entgegenstrebende Ex-Nationalspieler Manuel Friedrich zum Einsatz kommen. Er erhält einen Vertrag bis zum Saisonende. „Wenn wir ihn holen“, sagt Watzke, „dann ist er auch eine Option für Samstag.“ Der 34-Jährige verletzte sich zwar am Dienstag in einem Testspiel gegen den SC Paderborn (1:2) am Knie, dürfte aber rechtzeitig fit werden. Falls nicht wäre Mittelfeldmann Sven Bender als letzte erfahrene Alternative übrig. Statt einer Premium-Abwehr muss nun eine Patchwork-Verteidigung die Saisonziele des BVB sichern.
Erinnerung an Gündogan
„Für mich ist das besch…“, kommentiert Mats Hummels seine Lage: „Die kommenden Wochen werden sehr, sehr schwierig, aber wir werden das hinkriegen.“ Er meinte seine Mannschaft, die auch noch immer auf Ilkay Gündogan verzichten muss. Der hatte mit einem Einsatz im nationalen Dienst vor drei Monaten seine vorhandene Rückenverletzung verschlimmert.
Ein Gedanke, der Watzkes Laune nicht maßgeblich verbessert.