Hagen. .
Im Internet kursieren die ersten Witze. Einer: „Leverkusen wollte sich längst bei Hoffenheim entschuldigen, aber die haben kein Netz.“ Ein anderer: „Wurde die Bundesnetz-Agentur schon eingeschaltet?“ Die Wahrheit: Lange hat es im Bundesliga-Fußball nicht mehr so ein Aufreger-Thema gegeben wie das Phantom-Tor.
Stefan Kießling, Stürmer von Bayer Leverkusen, hatte beim Spiel in Hoffenheim in der 70. Minute ans Außennetz geköpft, der Ball flog durch ein Loch im Netz ins Tor. Schiedsrichter Felix Brych hatte das nicht gesehen und entschied auf Tor. Es war das 2:0, Leverkusen siegte 2:1, und es bleiben Fragen.
Gibt es ein Wiederholungsspiel?
Das ist offen. Der Deutsche Fußball-Bund hatte 1994 nach dem Phantom-Tor von Thomas Helmer ein Wiederholungsspiel angesetzt. Der Weltverband FIFA war schon damals dagegen und dürfte auch diesmal auf seiner Linie beharren. Diese lautet: Die Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters ist unumstößlich. Sollte sich der DFB mit der Fifa anlegen, kann die FIFA im Extremfall deutsche Teams für FIFA-Wettbewerbe sperren.
Wann fällt die Entscheidung?
Die Hoffenheimer haben fristgerecht Protest gegen die Spielwertung eingelegt. Das zuständige DFB-Sportgericht will bis Ende Oktober entscheiden. Diese Entscheidung kann von den Betroffenen angefochten werden, in diesem Fall folgt eine abschließende Verhandlung vor dem DFB-Bundesgericht.
Was ist mit dem Schiedsrichter?
Felix Brych ist „Coverboy“ auf dem aktuellen DFB-Regelheft. Für ihn ist der Abend in Hoffenheim dumm gelaufen. Natürlich hätte er das Tor nicht gegeben, wenn er all’ das gesehen hätte, was die Fernsehzuschauer gesehen haben. „Es ist keine tolle Situation, dass ich ein Tor gegeben habe, das keines war. Bis zum Anstoß hätte ich die Entscheidung noch ändern können“ sagt der 38-jährige Jurist.
Er bangt nun sogar um seine eigentlich sicher geglaubte Nominierung für die WM 2014 in Brasilien. Der europäische Verband zeigt sich allerdings zunächst weniger streng. Die UEFA nominierte Brych am Sonntag für das Champions League-Spiel AC Mailand - FC Barcelona an diesem Dienstag.
Sagen Spieler nie die Wahrheit?
Thomas Helmer hat 1994 den Schiedsrichter nicht informiert, Stefan Kießling hat nichts zur Aufklärung beigetragen, aber es geht auch anders. Beim 3:0-Sieg von Bayer Leverkusen gegen Bayern München am 7. März 1981 feuert Leverkusens Stürmer Arne-Larsen Ökland in der zweiten Hälfte den Ball mit einer solchen Wucht neben das Bayern-Tor, dass die Kugel von der Netzstange heftig zurückfliegt und das Netz ausbeult. Der Schiedsrichter entscheidet: Tor! Doch der Norweger geht vor dem Wiederanstoß zum Unparteiischen und sagt: „War nicht drin.“ Der korrigiert seine Entscheidung und bedankt sich per Handschlag bei Ökland. Ökland lächelt, er ist nicht nur der neue Fairplay-König, er hat in der ersten Halbzeit zudem per Hattrick alle drei Treffer gegen die Bayern erzielt. Sein Tag!
Gibt es technische Hilfe?
Die Firma Goal Control aus Würselen bei Aachen ist sicher, dass die Panne nicht passiert wäre, wenn sie ihre Technik im Stadion zum Einsatz gebracht hätte. „Ein solches Phantom-Tor ist dann unmöglich“, sagt Dirk Broichhausen, Geschäftsführer von Goal Control. Nur: Die Technik mit 14 im Stadion verteilten Hochgeschwindigkeitskameras, die ein Signal auf die Uhr des Schiedsrichters senden, ist zwar für die WM 2014 vorgesehen, jedoch in der Bundesliga nicht.
Gibt es andere Lösungsvorschläge?
Die gibt es, der kurioseste Vorschlag stammt dabei von Bayer-Sportchef Rudi Völler. Direkt nach dem Spiel sagte der frühere Nationalspieler lauter Dinge, die zutrafen. Unter anderem sprach er von einer „blöden Situation“. Eine korrekte Einschätzung, nur seinen Lösungsvorschlag vom Wochenende dürfte es kaum geben: Völler möchte gerne, dass nur die letzten 20 Spielminuten wiederholt werden. Wozu es auch immer kommen wird: Dies dürfte kaum passieren. Waschen und nicht nass machen geht nicht.