Moskau. .

Der größte Faxen-Mann des Sports ist ruhiger geworden. Usain Bolt zieht immer noch eine Show ab, doch auf die ganz ausgefallenen Gesten verzichtete der schnellste Mensch des Planeten in Moskau. Und das Publikum musste sogar zehn Minuten warten, bis der Jamaikaner endlich seinen imaginären Pfeil in den Himmel schoss. Bolt ist wieder „Usain Gold“, nachdem er vor zwei Jahren bei der WM in Daegu wegen eines Fehlstarts über 100 Meter disqualifiziert wurde und seinem Landsmann Yohan Blake den Titel überlassen musste. In Moskau stürmte Bolt mit seinem ebenso lockeren wie eleganten Laufstil zum Gold. Mit 9,77 Sekunden hatte er die Konkurrenz im Griff. Aber Bolts größter Konkurrent ist eh nicht der schon zweimal überführte Doping-Sünder Justin Gatlin aus den USA, der in 9,85 Sekunden Silber gewann und auch keiner seiner drei jamaikanischen Teamkollegen, die auf den Plätzen drei bis fünf folgten. Bolts hartnäckigster Gegner ist der Zweifel, der seit Jahren ständiger Begleiter in seinen Rennen ist und der aber seit den Skandalen der jüngsten Vergangenheit noch größer geworden ist.

Die Sprinter-Welt geriet kurz vor der WM in Moskau kräftig ins Wanken, als unter anderen der Weltjahresbeste aus den USA, Tyson Gay, und der frühere 100-Meter-Weltrekordler Asafa Powell aus Jamaika des Betrugs überführt wurden. Aber Bolt tat so, als ob ihn das nicht interessiere. „Ich habe meinen Job erledigt und das zählt. Der zweite Teil des Rennens ist meine Stärke und das habe ich gezeigt“, sagte Bolt nach seinem Gold-Lauf.

In dieser Saison fehlte Bolt die Frische der Vorjahre. „Als ich im Winter wieder ins Training eingestiegen bin, fehlte mir die Energie. Ich war nicht mehr so konzentriert, weil ich alle meine Ziele erreicht habe. Ich musste eine neue Motivation finden. Ich habe mich dann hingesetzt und habe mich gefragt, was ich wirklich will. Ich weiß, dass ich älter werde“, sagte Bolt, der am 21. August 27 Jahre alt wird, „wenn ich meinen Körper an meine Grenzen bringen will, dann muss es jetzt passieren. Das ist mein neues Ziel. Und ich spüre, dass ich mich diesem Vorhaben nähere.“

In Moskau will Bolt am Samstag über 200 Meter seinen Weltrekord von 19,19 Sekunden verbessern. „Über 100 Meter müsste ich für einen Weltrekord einen Super-Tag erwischen. Mir fehlt die Konstanz beim Start“, sagte Bolt, „über 200 Meter ist es viel einfacher. Da kann ich unter 19 Sekunden laufen.“

Bolt reduziert die Show und konzentriert sich in Russland offenbar voll und ganz auf seine Rennen. Denn sein Ziel ist bekannt. Nach dem Gold über 100 Meter sollen auch die Titel über 200 Meter und mit der Sprint-Staffel folgen. Gelingt ihm dies, ist Bolt am Ende der WM-Tage von Moskau mit insgesamt acht Gold- und zwei Silbermedaillen der erfolgreichste Leichtathlet der 30-jährigen WM-Geschichte und hätte Carl Lewis (7x Gold, 1x Silber, 1x Bronze) abgelöst.

Von seinem Weltrekord über 100 Meter, der seit seinem WM-Triumph 2009 in Berlin bei 9,58 Sekunden steht, war Bolt im Luschniki-Stadion weit entfernt. Das war wohl die gute Nachricht des WM-Sonntags.