Kairo. .
Bob Bradley tippte vorsichtig mit dem Fuß gegen eine eingeschlagene Vitrine, fassungslos blickte er auf verkohlte Akten und zerbrochene Fenster. Der ägyptische Fußball-Nationaltrainer hatte Tränen der Wut in den Augen. „Das Frustrierendste ist, dass das Land nach all dieser Gewalt keinen einzigen Schritt vorangekommen ist“, sagte er damals, im März dieses Jahres, als ein wütender Mob die Zentrale des Fußball-Verbandes EFA buchstäblich in Schutt und Asche gelegt hatte.
Der schleichende Tod des Fußballs am Nil geht nun weiter. Zum zweiten Mal nacheinander wurde die Saison im Land des siebenmaligen Afrika-Cup-Gewinners abgebrochen. Die Sicherheit in den Stadien, in die ohnehin seit September keine Zuschauer mehr hinein dürfen, kann aufgrund fehlender Einsatzkräfte nicht mehr gewährleistet werden. Die letzte Saison war nach der Katastrophe im Stadion von Port Said mit 74 Toten vorzeitig beendet worden, diesmal gab die Liga nach der Absetzung von Präsident Mursi und dem erneuten Umsturz auf. Nun werden wohl auch die wenigen Stars, die noch geblieben waren, ihrer fußballverrückten Heimat den Rücken kehren.
Umso mehr Fans klammern sich deshalb an die Nationalmannschaft. Und was der Amerikaner Bob Bradley unter widrigsten Bedingungen auf die Beine gestellt hat, lässt sie an ein Fußball-Wunder inmitten von Chaos und Gewalt glauben. Mit fünf Siegen in fünf Spielen hat das Team souverän die entscheidende Runde in der WM-Qualifikation erreicht. „Eine Teilnahme an der WM in Brasilien würde wahrscheinlich nichts an der grundlegenden Situation, an der Armut, der Gewalt ändern. Aber die Leute hier lieben Fußball, es wäre ein großes Zeichen für das ganze Land“, meint Bradley. Wenn die Nationalmannschaft zum ersten Mal seit 1990 wieder eine WM-Endrunde erreichen sollte, könnte es allerdings die letzte Teilnahme für Jahrzehnte sein. „Früher hätten die ägyptischen Top-Teams im unteren Bundesliga-Drittel durchaus mitspielen können, jetzt bin ich nicht mal mehr sicher, ob sie im unteren Drittel der dritten Liga mitspielen können“, sagte Rainer Zobel, deutscher Trainer des Erstligisten El Gouna FC, der Süddeutschen Zeitung.
Bob Bradley will aber sein Team zusammentrommeln und in einem Langzeit-Trainingslager auf die wohl wichtigsten Spiele in der ägyptischen Fußball-Geschichte vorbereiten. Im Oktober und November finden die K.o.-Partien der zehn Gruppenbesten aus der zweiten Qualifikationsphase statt. Die fünf Sieger aus Hin- und Rückspiel dürfen nach Brasilien. Wäre Ägypten dabei, es wäre, wie der Trainer sagte, ein Zeichen für das Land, ein großes.