Nürburgring. Der Formel-1-Weltmeister triumphiert auf dem Nürburgring. Er ist nach den Schumacher-Brüdern erst der dritte Deutsche, der ein Rennen im eigenen Land gewinnen kann.

Sebastian Vettel lächelte. Sebastian Vettel schrieb geduldig Autogramme. Sebastian Vettel blieb bei den Zuschauern stehen und beantwortete Fragen. Sebastian Vettel öffnete eine Mineralwasserflasche und trank einen Schluck. Der dreimalige Formel-1-Weltmeister wirkt wie ein normaler Junge von nebenan. Einer aus Heppenheim, der in der Glitzerwelt der Formel 1 auf dem Teppich geblieben ist. Allerdings kann der Teppich jetzt fliegen.

Beim Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring rauschte Vettel in seinem Red Bull als Sieger über die Ziellinie. Er ist nach Michael und Ralf Schumacher nun der dritte Deutsche, der einen Heim-Grand-Prix gewonnen hat. „Endlich hat es geklappt“, sagte er. Vorher hatte er seiner „Heidi“ noch über die Schulter gestreichelt. Vettel hat sein Auto „Hungry Heidi“ getauft, und die Schulter der Heidi ist die blau lackierte Karosserie.

Es war ein hartes Rennen. 60 Hitzerunden, die Sonne kannte keine Gnade. Die wenigen Schatten waren auf dem glühenden Asphalt so klar zu sehen, als wären sie aus schwarzem Stoff geschnitten. Weder Fritz-Walter-Wetter, noch Mercedes-Wetter. Die Ingenieure des Teams rätseln, warum die Reifen der Silberpfeile bei Hitze nicht funktionieren. Eine Antwort gibt es noch nicht.

Schon vor der ersten Kurve musste Lewis Hamilton, der beim Start im Silberpfeil auf der Pole Position stand, Sebastian Vettel und Mark Webber überholen lassen. Brit Flop. Der Engländer kochte im heißen Cockpit, später fragte er über Bordfunk: „Hat Nico auch die Reifenprobleme?“ Nico Rosberg hatte. Das Heimspiel für Mercedes lief schlecht. Hamilton landete auf Platz fünf. Rosberg, der die beiden Rennen in Monte Carlo und Silverstone gewonnen hatte, wurde Neunter. „Kein guter Tag“, fand der 28-Jährige und entschwand aus dem Gedränge.

„Kimi war verdammt schnell und verschwand einfach nicht aus meinem Rückspiegel“

Dort umarmte Vettel seinen Kollegen Kimi Räikkönen, der ihm das Finale zur Hölle gemacht hatte. Nach einem letzten Reifenwechsel in der 50. Runde kehrte der Finne in seinem Lotus nur eine Sekunde hinter dem vorbeirasenden Vettel auf die Strecke zurück. Noch zehn Runden bis zur Ziellinie, und Vettel konnte Räikkönen nicht abschütteln. „Das war hart“, so Vettel später. „Kimi war verdammt schnell und verschwand einfach nicht aus meinem Rückspiegel.“

Der Finne wurde am Ende Zweiter vor seinem französischen Lotus-Kollegen Romain Grosjean. „Das Rennen hätte etwas länger sein müssen“, schüttelte Räikkönen den Kopf. „Dann hätte ich Sebastian vielleicht kriegen können.“ Viel mehr sagte der Mann, den sie in der Formel 1 wegen seiner Redefaulheit den „Iceman“ nennen, auch an diesem Nachmittag nicht. Auch nicht zur Frage der nächsten Saison. Dabei wäre die Antwort spannend: Vettels Team-Kollege Mark Webber wird aus der Formel 1 aussteigen, Freunde fürs Leben sind der Deutsche und der Australier in ihren gemeinsamen Jahren bei Red Bull nie geworden. Mit Räikkönen dagegen kommt Vettel gut aus, beide spielen in ihrer Freizeit gemeinsam Badminton, und der Finne hat noch bei keinem Team fürs nächste Jahr unterschrieben.

Was denn nun, Kimi? Nächstes Jahr Teamkollege von Vettel? Aber der Iceman ist cooler als der Nordpol. Er zog seine Baseball-Mütze so tief, dass man seine Augen nicht mehr erkennen konnte, und ging.

Nicht die letzte Personalie des Renn-Wochenendes. Der Emmericher Nico Hülkenberg (Platz 10) hat seinen Vertrag bei Sauber gekündigt. Offensichtlich gibt es Probleme mit der Gehaltszahlung, und in einem solchen Fall verschwinden Formel-1-Fahrer wie von Sauberhand. Wohin? Offen!

Vettel war es am Abend allerdings egal, wer wann wo fährt. Er führt in der WM-Wertung jetzt mit 157 Punkten vor Fernando Alonso (123) und Räikkönen (116). Im Trubel der Siegerparty fand er seinen Vater und umarmte ihn lachend. Eben ganz der Junge von nebenan.