London. Wimbledon hat seine erste Sensation: Rafael Nadal musste sich gegen Steve Darcis geschlagen geben. Die Nummer 135 der Weltrangliste aus Belgien wirft den zwölfmaligen Grand-Slam-Sieger in Runde eins raus. Das ist Nadal noch nie passiert.
Er versuchte, die Sache lakonisch zu betrachten, aber ob das wirklich half? „Manchmal verlierst du, manchmal gewinnst du“, meinte Rafael Nadal nach seiner Niederlage in der ersten Runde der All England Championships gegen den Belgier Steve Darcis (6:7, 6:7, 4:6). „So ist der Sport nun mal“.
Zwei Wochen und einen Tag nach seinem achten Triumph bei den French Open in Paris schied er am Montag in Wimbledon zum ersten Mal in seiner Karriere in der ersten Runde eines Grand-Slam-Turniers aus und ließ eine Menge ungelöster Fragen zurück.
Er hatte völlig Recht, als er hinterher meinte, Darcis habe ein großartiges Spiel gemacht. Der Belgier vom Weltranglisten-Platz 135 variierte und riskierte und zeigte, dass dies das einzige Mittel ist, um Nadals Rhythmus zu brechen. Und im Gegensatz zu anderen Gegnern, die es auf ähnliche Weise versucht hatten, blieb er dieser Linie in den entscheidenden Momenten treu und hatte keine Angst vor dem letzten Punkt; den erledigte er bezeichnender Weise mit einem Ass durch die Mitte.
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Ein klasse Auftritt von Anfang bis Ende, aber irgendwie kaum zu glauben angesichts der Tatsache, dass er in all den Jahren zuvor in Wimbledon nur ein einziges Spiel gewonnen hatte, gegen einen Kanadier vom Weltranglistenplatz 92.
2012 gegen Rosol ausgeschieden
Vor einem Jahr hatte Nadal in der zweiten Runde gegen den Tschechen Lukas Rosol mit schmerzenden Knien verloren und war erst sieben Monate später auf die Tour zurückgekehrt. Auch diesmal hatte man in diversen Momenten des Spiels den Eindruck, er könne sich nicht so dynamisch wie gewohnt bewegen; manchmal humpelte er sogar.
Natürlich lag die Frage nahe, wie er sich gefühlt habe auf dem Weg an diesem Nachmittag auf Court No. 1, aber er lehnte es auch bei mehrmaligem Nachhaken ab, sich über seine Befindlichkeit zu äußern. „Das ist jetzt nicht der Moment dafür“, sagte er stattdessen, „ich habe in jedem Moment versucht, mein Bestes zu geben, aber das war nicht möglich – das ist alles.“
Lädierte Knie bereiten Probleme
Später gab er immerhin zu, dass er in gewisser Weise nicht nur gegen Darcis, sondern gegen die speziellen Bedingungen auf Rasen gespielt habe. Auf Rasen springt der Ball flacher ab als auf anderen Belägen, da muss man tiefer in die Knie gehen, aber genau das bereitet ihm mit seinen lädierten Knien Probleme. Nie zuvor in seiner Karriere war er ohne ein Vorbereitungsturnier auf Rasen in Wimbledon angetreten, diesmal hatte er nach dem Sieg in Paris keine andere Möglichkeit gesehen und hatte seinen geplanten Start bei den Gerry Weber Open in Halle abgesagt.
Und nun? Kann es sein, dass er wieder monatelang fehlen wird, um sich auszukurieren? Nein, so lange werde es diesmal sicher nicht dauern, meinte er, er hoffe, dass er sich schnell erholen werde und dann weiterspielen könne. Eine Ähnlichkeit mit der Situation von vor einem Jahr mochte er nicht erkennen, und er wiederholte, das sei ja jetzt keine Tragödie. „Natürlich ist es hart, in der ersten Runde zu verlieren, aber das Leben geht weiter. Dies ist ein Sport der Siege, nicht der Niederlagen. Die Leute erinnern sich an Siege, und ich will mich nicht an Niederlagen erinnern“.
„Ich bin schockiert“, meinte Steve Darcis nach dem Spiel seines Lebens. Aber es war ein Schock, den er sichtlich genoss.
Petkovic zieht in die 2. Runde rein
Während Nadal tief bedrückt auf dem Podium versuchte, seine Pleite zu erklären, feierte Andrea Petkovic ihre endgültige Rückkehr auf die Tour. Gegen die Französin Pauline Parmentier gewann sie mit 6:3, 6:2 ihr erstes Grand-Slam-Match seit den US Open 2011 und setzte damit ihren Aufwärtstrend fort. Bei den French Open hatte Petkovic noch in der Qualifikation verloren und drohte aus Frust mit ihrem Karriereende. In Runde zwei trifft sie nun auf Sloane Stephens (USA/Nr. 17).
"Ich freue mich wie ein kleines Kind über diesen Sieg", sagte Petkovic die das Strahlen gar nicht mehr aus dem Gesicht bekam: "Ich sehe das gerade wirklich als meine zweite Karriere an und die Chance will ich nutzen. Rasen wird zwar nie mein Lieblingsbelag, aber ich beginne gerade eine Romanze mit Wimbledon."
Auch zwei deutsche Qualifikanten überzeugten: Julian Reister (Hamburg) und Dustin Brown (Winsen/Aller) stehen beim wichtigsten Tennisturnier der Saison in Runde zwei. Ausgeschieden sind dagegen Tobias Kamke (Lübeck), Benjamin Becker (Orscholz), Bastian Knittel (Bad Cannstatt) und Tatjana Maria (Bad Saulgau). Am Dienstag starten zwölf weitere deutsche Tennisprofis, unter ihnen auch Tommy Haas und Angelique Kerber.
Brown gewann gegen den Spanier Guillermo Garcia Lopez 6:3, 6:3, 6:3. Reister kämpfte den Tschechen Lukas Rosol 6:3, 4:6, 7:6 (7:5), 6:7 (4:7), 6:4 nieder. Noch im vergangenen Jahr hatte sich Rosol kurzfristig einen Namen gemacht, als er Nadal in Wimbledon in Runde zwei aus dem Turnier warf. Diese Rolle fiel nun Steve Darcis zu. (sid)