Das hübsche Montenegro an der Adriaküste hat 625 000 Einwohner, also gerade ‘mal ein wenig mehr als die Stadt Essen. Nur zum Vergleich: Der Deutsche Handball Bund DHB, der sich voller Stolz mit dem Titel „größter Handball-Verband der Welt“ schmückt, hat 825 000 Mitglieder. Wer diese Zahlen kennt, kann ermessen, wie groß das Debakel ist.

Zwei Mal verlor das DHB-Team gegen das zweitklassige Montenegro – und Deutschland wird mit hoher Wahrscheinlichkeit erstmals eine Handball-EM verpassen. Für diesen Sport, der nach dem WM-Titel 2007 noch vom „Handball-Boom“ träumte, wäre es nach der verpassten Olympia-Qualifikation 2012 der zweite Tiefschlag in kurzer Zeit: In beiden Fällen hieß der Bundestrainer Martin Heuberger.

Alles klar also? Der Trainer muss weg – und schon geht’s aufwärts? Der Reflex ist einfach, sogar nachvollziehbar, aber nicht minder billig und populistisch. Heuberger hat Fehler gemacht – in Montenegro falsch reagiert, zuvor manche Personalien (wie im Fall Glandorf) schlecht gemanagt; und wer noch am Mittwoch groß ankündigt, „in zwei, drei Jahren wieder an Medaillen denken“ zu wollen, darf sich über herbe Kritik nicht wundern.

Die Ursachen aber liegen tiefer. Die Handball-Bundesliga dominiert Europa, drei der vier letzten Champions-League-Titel gingen an deutsche Klubs, der EHF-Cup wandert gar seit 2003 nur durch hiesige Vitrinen. Doch von der Stärke kommt nichts beim DHB-Team, dem öffentlichen Aushängeschild und Motor dieser Sportart, an.

Das historische Scheitern, dieser Tiefpunkt, böte immerhin die Chance, die Probleme der Nachwuchsarbeit, die Integration jüngerer Spieler in die Klubs und selbst profanere Dinge wie Lehrgangsgestaltung anzupacken. Dafür aber müssten sich Liga wie Verband bewegen. Bisher üben sie sich nur fleißig im Schwarzer-Peter-Spiel. Die Wahl eines neuen, vitalen DHB-Präsidiums im September wäre da schon mal ein guter Anfang.