Stuttgart. .

Schon am zweiten von acht Verhandlungstagen im Landgericht Stuttgart kommt es womöglich zum großen Showdown. Ex-Teamchef Michael Holczer tritt im Betrugsprozess gegen Radprofi Stefan Schumacher an diesem Donnerstag in den Zeugenstand. Der 59 Jahre alte Mathematik- und Geschichtslehrer will plausibel machen, dass er von den Dopingpraktiken im Team Gerolsteiner nichts gewusst habe. Er muss sich auf erheblichen Gegenwind gefasst machen.

„Er hat keine Kontrolle gehabt“

Schumacher widersprach in seiner „Spiegel“-Beichte vor Ostern und am ersten Verhandlungstag den Beteuerungen Holczers: „Er hat sich als Anti-Doping-Kämpfer präsentiert, ohne selber was gegen Doping zu tun. Er hat überhaupt keine Kontrolle gehabt und auch keine Ambitionen, das Thema im Team zu unterbinden“. Den in der Öffentlichkeit wahrgenommenen Anti-Doping-Aktivisten Holczer gab es nach Schumachers Meinung überhaupt nicht.

Dem Radprofi wird vorgeworfen, seinen ehemaligen Teamchef um drei Monatsgehälter in Höhe von 151 463,50 Euro betrogen zu haben. Schumacher habe Doping bei der Tour de France 2008 trotz Nachfrage geleugnet und das Geld daher unrechtmäßig erhalten. Im Nachhinein war er bei den Olympischen Spielen in Peking positiv auf das Blutdoping-Präparat Cera getestet worden. Bis August 2010 hatte ihn der Internationale Sportgerichtshof Cas deswegen gesperrt.

Der schnelle Holczer-Angestellte unterstellt seinem Ex-Chef Mitwisserschaft. „Es war offensichtlich, dass ich gelogen hatte. Es war ihm klar, das war mir klar“, sagte er über das entscheidende Gespräch während der Frankreich-Rundfahrt. Das Wissen um die illegalen Vorgänge hatte Holczer abgestritten.

Fließender Übergang

Allerdings: In seinem 2010 veröffentlichten Buch „Garantiert Positiv“ beschreibt Holczer die Gratwanderung. Ein Profiteam sei „ein Unternehmen, das um die 80 Prozent seines Budgets in die körperliche Leistungsfähigkeit seiner Mitarbeiter“ investiere. „Die Gewährleistung einer ärztlichen Betreuung halte ich hier für unabdingbar. Freilich ist der Übergang von einer optimalen ärztlichen Betreuung zu den ersten Schritten in die Manipulation schmal, wenn nicht sogar fließend.“

Namen der laut Schumacher aktiv am Doping beteiligten Teamärzte wollte der nach langem Leugnen geständige Radprofi nicht nennen, trotz hartnäckiger Nachfragen des Richters Martin Friedrich und des Staatsanwaltes Peter Holzwarth. Aber der Heidelberger Sportrechtler Michael Lehner, einer der beiden Schumacher-Anwälte, mahnte zur Geduld: „Es gibt ja noch Zeugen. Ich denke, bis zur Urteilsverkündung werden wir Namen wissen.“

Am „Heiligenschein“ kratzen

Am heutigen Donnerstag wird sich Lehner zunächst Holczer widmen und versuchen, an dessen „Heiligenschein“ zu kratzen. Als weitere Zeugen sollen der ebenfalls Doping geständige ehemalige Profi Bernhard Kohl und der Mediziner Mark Schmidt aussagen.

Der einstige Team-Sponsor, die Gerolsteiner Brunnen GmbH, verfolgt den Prozess mit großem Interesse. Zu eventuell möglichen Regressforderungen wollte sich die Sprecherin der Firma auf Nachfrage aber nicht äußern. Das Unternehmen war 2008 nach den Dopingfällen nach zehnjährigem Engagement ausgestiegen. Zuletzt wurden pro Saison geschätzte neun Millionen Euro in das von Holczer geführte Team investiert.