Wattenscheid. Die Favoritin auf das Gold im Marathon hat nach dem Tod ihres Vaters nicht den Kopf frei für den Start in Berlin

Es sollte ihr ganz großer Tag werden. Alles, wirklich alles, hatte Irina Mikitenko auf diesen 23. August ausgerichtet. Zum Abschluss der Weltmeisterschaften im eigenen Land wollte sie in Berlin triumphieren, sich mit Gold zu ihrem 37. Geburtstag selbst edel beschenken. Leichtathletik-Deutschland hatte der Wattenscheider Marathonläuferin diesen wertvollsten Erfolg ihrer Karriere zugetraut. Sie galt als bärenstarke Hoffnung. Immerhin hält sie mit 2:19:19 Stunden den Deutschen Rekord. Und jetzt das: die bittere Absage. Irina Mikitenko fällt aus.

„Es ist ein harter Schlag für uns”, sagt DLV-Sportdirektor Jürgen Mallow. Beim TV Wattenscheid ist gar von einem „Drama” die Rede, wie es Vorstandsmitglied Michael Huke formuliert. „Sie war die größte Wattenscheider Medaillenkandidatin, eigentlich sogar unsere einzige”, sagt Huke.

Familienmensch

Irina Mikitenko startet nicht, weil vor rund zwei Wochen nach einer Krankheit ihr Vater gestorben ist. Ein Schicksalsschlag, den sie verarbeiten muss, was ihr nach eigener Einschätzung bis zum WM-Lauf nicht gelingen wird. Der Tod des Vaters hat die 36-jährige Marathonfrau aus der Bahn geworfen. Der Wattenscheider Cheftrainer Tono Kirschbaum sagt: „Sie hat nicht den Kopf für eine WM.”

Dabei hatte sie es noch einmal versucht und nach einer kurzen Pause den zweiten Teil ihres Trainingslagers in St. Moritz angetreten – sie gab auf. Die gebürtige Kasachin, 1996 nach Deutschland gekommen, galt schon immer als ausgesprochener Familienmensch. Nur der feste Zusammenhalt hatte die großen sportlichen Erfolge der kleinen Frau (1,58 m/49 kg) möglich gemacht: Ehemann Alexander ist gleichzeitig ihr Trainer, und während sie selbst noch kürzlich rund 200 km pro Woche laufend unterwegs war, passten ihre Eltern in der Nähe von Frankfurt auf die Kinder Vanessa (3) und Alexander junior (15) auf. Der Tod des Vaters hat das Familienunternehmen ins Stocken gebracht. Besonders bitter: 2008 hatte die Läuferin schon auf die Olympischen Spiele in Peking verzichten müssen. Damals war sie gesundheitlich angeschlagen, hatte Rücken- und Beckenprobleme.

Meine Glücksstadt

Irina Mikitenko hat Berlin „meine Glücksstadt” genannt. Im vergangenen Jahr hatte sie den Berlin-Marathon gewonnen und vor zwei Jahren, bei ihrem Debüt auf dieser Strecke, war sie Zweite geworden. Überhaupt: ihre Marathonbilanz ist so glänzend wie die Auslage eines Juweliers. Vier Starts, dreimal Erste, einmal Zweite. Für die Wattenscheiderin rückt nun Ulrike Maisch aus Rostock ins WM-Team. Sie wird vielleicht Mikitenkos Platz auffüllen, aber wohl kaum deren Ambitionen aufnehmen können. Mit 2:22:11 Stunden führt Irina Mikitenko nach dem Gewinn des London-Marathons die Weltrangliste an.

Am Wochenende ereilte den DLV die WM-Absage eines weiteren Wattenscheiders. 400-Meter-Hürdenläufer Thomas Goller erklärte wegen einer Wadenverletzung ebenfalls seinen Verzicht.