Dortmund. .
Scheppernd fällt im Erdgeschoss des Dortmunder Stadions die schwere graue Brandschutztür ins Schloss. Zurück bleiben das grelle Licht, die Kameras, die Mikrofone, kurz: die Szenerie, in der die Spieler erklären, wie passieren konnte, was passiert ist. Auf der anderen Seite der Tür steht nun Nuri Sahin im Dunkeln eines eisig kalten Abends.
Sahins Abgang ist ein Sinnbild für diesen Nachmittag im Stadion von Borussia Dortmund, der eine ernüchternde 1:4-Niederlage gegen den Hamburger SV gebracht hatte – anstatt der schönen schwarz-gelben Gefühls-Geschichte über Nuri Sahin, die sich die BVB-Fans erhofft hatten. Ihr Plot ging grob skizziert so: Der verlorene Sohn spielt zum ersten Mal von Beginn an und führt – als sei er nie weg gewesen – seine Mannschaft zum Sieg. Doch die 18 Monate ohne regelmäßigen Wettbewerbsfußball sind spürbar. Sahin fehlt die Sicherheit, was nachvollziehbar ist. Dem Dortmunder Spiel fehlte mehr als nur Sicherheit. Das machte die Sache gegen den mutigen HSV so schwierig.
Sahin wurde im Winter verpflichtet. Einen wie ihn heimzuholen, wenn die Möglichkeit besteht, ist vermutlich nie ein Fehler – obwohl er der sechste hochbegabte Mitarbeiter in der Spielzentrale ist. Und doch fragte man sich leise rund um die Strobel-Allee, warum nicht auf anderen Positionen nachgearbeitet wurde. Zum Beispiel auf den Außenverteidigerpositionen. Oder auf der des Stürmers. Eine Frage, die nie angebrachter schien als nach diesem Spiel.
Denn Dortmunds Trainer Jürgen Klopp hatte Sven Bender auf die linke Verteidigerposition beordert, dorthin, wo normalerweise Marcel Schmelzer seinen Dienst verrichtet. Doch den legte eine Grippe lahm, sein auf der Position zwar erprobter, aber nicht ausgebildeter Ersatzmann Kevin Großkreutz verbrachte die zurückliegenden Tage wegen des Verdachts auf Lungenentzündung im Krankenhaus und wird auch nicht mit zum Champions-League-Spiel am Mittwoch bei Schachtjor Donezk reisen. Bender jedenfalls sollte den Ersatz ersetzen und lieferte nicht nur bei zwei Toren der beiden Doppeltorschützen Heung-Min Son und Artjoms Rudnevs beste Argumente, ihn zukünftig doch eher wieder an anderer Stelle zu berücksichtigen.
Wesentlich besser machte es Rechtsverteidiger Lukasz Piszczek – wie schon eine Woche zuvor gegen Leverkusen – allerdings auch nicht. Auch er ist konkurrenzlos auf seiner Position, die Woche über plagte er sich mit einer Verletzung herum, trainierte nur einmal mit der Mannschaft. Und weil sich dann auch noch Fehler von Männern wie Mats Hummels hinzugesellten, standen die dritte Heimniederlage der Saison und sechs Gegentore in den vergangenen 135 Bundesliga-Minuten zu Buche. „Das darf nicht passieren“, äußerte Kapitän Sebastian Kehl, „darüber wird zu reden sein.“ Als er das sagte, hatten viele seiner Kollegen den Ort des Geschehens schon verlassen. Wortlos. Wütend. So wie Mats Hummels. So wie Robert Lewandowski.
Lewandowski fliegt vom Platz
Der war nach einer halben Stunde des turbulenten Spiels in den Mittelpunkt gerückt, weil er seinem Gegenspieler einen Tritt verpasst hatte. Die Emotionen kochten hoch, Rafael van der Vaart wollte Lewandowski an die Wäsche, als Kehl dazwischen ging, sank van der Vaart zu Boden – und bewarb sich auch nach dem Spiel nicht um Auszeichnungen in Sachen Fairness: „Der Schiedsrichter wollte keine Rote zeigen. Da habe ich ein wenig Theater gemacht. Dann hat er sich mit seinen Assistenten besprochen und doch die Rote gegeben.“
Lewandowski also musste den Platz verlassen. Sein Ersatz für die Zeit der Sperre heißt Julian Schieber und ist den Anforderungen nach bisherigem Kenntnisstand nicht gewachsen. Möglich, dass Jürgen Klopp einen seiner trickreichen Mittelfeldspieler in den Sturm beordert. Denn Mittelfeldspieler hat er sehr viele in seinem Kader.