Schladming. .

Das gibt es nur in Österreich: Vor dem Bahnhof in Schladming steht ein gutes Dutzend Frauen und Männer, die Pappschilder in die Höhe halten. „Suche Karten“ steht darauf. Schwarzmarkt vor einem Ski-Rennen. Unvorstellbar in jedem anderen Land dieser Erde. 400 000 Zuschauer werden an den elf Wettkampftagen bei den alpinen Ski-Weltmeisterschaften erwartet.

Auch an diesem Mittwoch drängeln sich 30 000 Zuschauer in der Planai-Arena. 25 Euro für den billigsten Stehplatz, 830 Euro für ein Vip-Ticket. Schon um neun Uhr morgens singen sich die Fans für den Super-G der Herren warm. „May-er, May-er“ und „Han-nes, Han-nes“ skandieren sie. Jeder trägt das österreichische Rot-Weiß-Rot: Auf dem Kopf als Hahnenkamm-Perücke, auf den Wangen als Tattoo. Oder zumindest im Herzen. Matthias Mayer und Hannes Reichelt sollen am Mittwoch die Medaillen holen, die einen Tag zuvor die Damen verpasst haben.

Dabei hatte sich die Geiß Heidi als tierisches Orakel für das Leckerli vor dem Foto von Österreichs Liebling Anna Fenninger entschieden. Nicht jeder hat eben so feine Füßchen wie Paul, Oberhausens Kraken-Orakel bei der Fußball-WM 2010.

Party-Meile und Promi-Auflauf

Das Lieblingstier der Schladminger ist eh der Hopsi. Ob in der Bäckerei Wieser oder in der Metzgerei Wanke, der Rammler ist in jedem Schaufenster Deko-Pflicht. Hopsi hoppelte schon 1982 bei der ersten Ski-WM in Schladming als Maskottchen ins Rampenlicht. 31 Jahre später ist er wieder Marketing-Instrument Nummer eins. Nicht mehr so pausbäckig, etwas schlanker und mit Helm: Auch Hasen orientieren sich am Zeitgeist.

Es hat sich viel getan seit der ersten WM in Schladming. 1982 war alles familiär. Heute sind die Titelkämpfe ein gigantisches Ereignis, und jeder will seinen Schnitt machen. Der Chef vom Restaurant „Kirchenwirt“ verkauft sein „WM-Steak mit Pfeffersauce und Zwiebelringen“ für 29 Euro. Was der Herrgott zu diesen Preisen sagt? Aber die Ski-Fans drängen sich um die Stände, um sich mit Birnhirsch-Punsch für 4,50 Euro oder Zirbenblut für 5 Euro aufzuheizen.

Am Abend geht die Post richtig ab. Ganz Schladming, das nach dem Regen am Dienstag wegen der Pfützenmeere in „Schlamming“ umbenannt werden sollte, ist eine Party-Meile. Im Fan-Zelt können 2300 Partygänger aufschlagen. Jeder Abend hat ein Motto, Donnerstag heißt es „Zeig der Zilli deinen Willi“. Weitere Kostproben: „Super Schnitten lassen bitten“ oder „A Zuckerl fürs Pupperl“. Ob es an Rainer Brüderle liegt? Jedenfalls sind die schlüpfrigen Titel nach Protesten geschwärzt worden: Gefeiert und gebaggert wird trotzdem.

Brüderle hat sich in Schladming nicht angesagt. Dafür jeder, der in Österreich auch nur eine Spur von Sternchen-Faktor aufweisen kann. Hansi Hinterseer ist hier nach seinem TV-Aus in seinen Fell-Boots noch eine große Nummer. Kevin Costner spielt mit seiner Band Modern West, Schauspieler Klaus-Maria Brandauer sorgt mit seiner Lesung hoch oben auf dem benachbarten Dachstein für den intellektuellen Anstrich. Über allen thront allerdings die steirische Eiche. Kein anderer kann so schön von seiner Heimat schwärmen wie Arnold Schwarzenegger. Auf Steirisch, auf Englisch, auf Deutsch – und das alles auf einmal.

Ein „Glüher“ sei er gewesen, erzählen die Leute, die ihn schon kannten, als er noch nicht der Terminator war. Nein, Glüher hat nichts mit einem Themenabend zu tun. Klein-Arnie war ein Skifahrer, der ohne Pause die Hänge herunter raste. Ein Glüher eben.

Alles ist etwas zu groß geraten

Wo Schwarzenegger ist, da kann Peter Schröcksnadel nicht weit sein. Der Präsident des Österreichischen Ski-Verbandes wird der „Goldgräber von Schladming“ genannt. Schröcksnadel verdient überall mit. Allein in Österreich ist er an sieben Skigebieten beteiligt. Wenn er die WM in höchsten Tönen lobt, dann tut er es meist mit seiner präsidialen Pudelmütze auf dem Kopf. Es ist sicher Zufall, dass darauf der Schriftzug seines Firmenimperiums zu lesen ist.

Aus den Jubel-Arien dringen aber auch kritische Stimmen durch. 400 Millionen Euro hat die WM gekostet. Alles ist ein wenig zu groß ausgefallen. Symbol des Größenwahns ist das 30 Millionen Euro teure Zielstadion. Mit einem zwei Millionen Euro teuren Triumphbogen, in dem die Wichtigsten der Wichtigen in einer Vip-Loge die Rennen verfolgen.

Am Mittwoch sehen sie wieder keinen österreichischen Sieg. Während der US-Amerikaner Ted Ligety seine Goldmedaille herzt, rollen die rot-weiß-roten Fans ihre Fahnen ein. Der Frust hält nicht lange an. „Am Freitag gewinnt die Anna Fenninger bestimmt die Super-Kombi“, sagt einer. Vielleicht orakelt er besser als die Geiß Heidi. Aber eigentlich ist es egal, bis dahin wird halt Party gemacht.