Paris. Fünf Absagen haben Joachim Löw vor dem Klassiker gegen Frankreich ereilt. Geschockt haben sie den Bundestrainer nicht. Mit Blick auf die WM 2014 in Brasilien muss er ohnehin noch einiges ausprobieren. Manuel Neuer bleibt vorerst die unangefochtene Nummer eins im Tor der Nationalmannschaft.

Bundestrainer Joachim Löw macht aus der Not eine Tugend und hat den Kampf um die Plätze für die WM 2014 eröffnet. "Wir wollen den Konkurrenzkampf auf allen Positionen forcieren und haben nun eine gute Gelegenheit, mit einem echten Härtetest gegen starke Franzosen den Ernstfall zu testen. Wir müssen eine absolute Klasseleistung abrufen, wenn wir ihnen auf Augenhöhe begegnen wollen", sagte Löw vor dem Jahresauftakt am Mittwoch (21 Uhr/ARD und live bei uns im Ticker) in Paris beim Angstgegner Frankreich um "Weltklassespieler" Franck Ribery - nur die T-Frage will er nicht stellen.

Für Löw ist Manuel Neuer "unangefochten die Nummer eins"

"Diese Debatte ist nicht von uns ausgelöst worden", sagte er am Dienstag nach der Ankunft in Paris auf die Frage, ob angesichts der Bewährungsprobe für Rene Adler ein ähnliches Duell drohe wie zwischen Oliver Kahn und Jens Lehmann vor der WM 2006. Dem Platzhalter Neuer versicherte Löw noch einmal mit Nachdruck, dass er sich keine Sorgen machen muss. "Wir haben mit Manuel gesprochen, er ist unangefochten die Nummer eins. Dass er gerne gespielt hätte, ist klar. Es hätte mich gewundert, wenn er etwas anderes gesagt hätte", sagte Löw: "Aber auch hier müssen wir Alternativen schaffen für den Fall, dass etwas passiert."

Während Adlers Einsatz eine Belohnung ist, hat manch anderer in Paris die Chance, auf sich aufmerksam zu machen. Die fünf Absagen seit seiner Nominierung sieht der Bundestrainer deshalb "nicht als Rückschlag. Die Problematik gibt es so lange, wie es Länderspiele gibt. Von daher ist es manchmal ärgerlich, aber mit der Situation muss man umgehen. Wir haben trotzdem einen sehr guten Kader und können nun eben zeigen, dass wir mehr als elf gute Spieler haben."

Klose fällt monatelang aus

Neben Vize-Kapitän Bastian Schweinsteiger und Torjäger Miroslav Klose, der wegen eines Außenbandteilabrisses im rechten Knie wohl auch für die beiden Qualifikationsspiele gegen Kasachstan Ende März ausfallen wird, hatte auch das Dortmunder Trio Marco Reus, Mario Götze und Marcel Schmelzer abgesagt.

Das sei eben im Februar und im November so, Verletzungen und Erkältungen gebe es kurz vor und nach der Winterpause eben vermehrt, meinte Löw wie schon am Vortag Teammanager Oliver Bierhoff. Doch wird der Bundestrainer bis zur heißen Phase der Qualifikation im Herbst keine Gelegenheit mehr haben, mit seiner besten Formation gegen starke Gegner zu proben. Das nimmt er mit dem Urlaubs-Versprechen an seine Stammspieler für die Zeit der US-Reise Ende Mai aber sogar gerne in Kauf.

Löw wagt keine Experimente bei den Außenverteidigern 

"Ich habe kein Problem, wenn einige Spieler fehlen. Wir werden auch aus dieser Situation das Beste machen, dann können sich eben andere beweisen", sagte der 53-Jährige und setzt für 2013 auch andere Prioritäten: "Es wird auch ein Jahr der Weiterentwicklung einzelner Spieler. Einige haben berechtigte Hoffnung auf einen Platz unter den ersten elf. Und wir brauchen mehr als elf Spieler, wenn wir uns in der Weltspitze etablieren wollen. Bei einem Turnier muss jede Position doppelt besetzt sein."

Deshalb ist auch für Kapitän Philipp Lahm die Partie gegen die Franzosen "ein richtiger Test. Unsere Bilanz ist ja nicht so positiv. Unsere Aufgabe ist es zu gewinnen. Man weiß, wie stark die Franzosen sind", meinte der Verteidiger.

Reifeprozess wird gefördert durch internationalen Erfolg deutscher Klubs

Seine Stammspieler wird Löw im nächsten halben Jahr ansonsten wohl vermehrt in europäischen Klubspielen unter Wettkampf-Bedingungen beobachten können, wo noch alle sieben gestarteten Bundesligisten vertreten sind. Was ihm, sozusagen als Ausgleich, gut passt. "Für den Reifeprozess unserer jungen Spieler ist es wichtig, dass sie auf höchstem Niveau vor höchsten Herausforderungen stehen", sagte er: "Das sehe ich nicht als zu hohe Belastung, sondern als guten Prozess."

Auf der Position des rechten Außenverteidigers will Löw derweil trotz des Ausfalls von Linksverteidiger Schmelzer nicht mehr experimentieren. Der beidseitig einsetzbare Lahm wird in Paris rechts bleiben und somit wohl der direkte Gegenspieler seines Münchener Klubkollegen Ribery. "Ich sehe Philipp dauerhaft rechts. Für links werden wir für dieses Spiel eine andere Lösung finden", sagte Löw gelassen.

Dennoch verfolgte er das Abschlusstraining am Dienstagabend im Stade de France mit bangem Blick. Von den 19 verbliebenen Spielern sollte möglichst keiner mehr ausfallen, auch nicht die angeschlagenen Sami Khedira, Lars Bender, Mats Hummels und Ilkay Gündogan oder der erkältete Lukas Podolski. "Ich hoffe, dass alle einsatzfähig sind," sagte Löw. Selbst seine Experimentierfreude hat Grenzen.

Die voraussichtliche Mannschaftsaufstellung:
Adler - Lahm, Mertesacker, Hummels, Boateng - Khedira, Kroos - Müller, Özil, Podolski - Gomez.