London. Oscar Pistorius verlor bei den Paralympics in London sensationell das Finale über 200 Meter. „Das war unfair, einfach lächerlich“, schimpfte der „Blade Runner“ nach seiner Niederlage gegen den Brasilianer Alan Oliveira: „Er kommt über Nacht mit Stelzen, die zehn Zentimeter zu hoch sind.“

Schneller als befürchtet hat die „Wunder-Stelze“ die Leichtathletik eingeholt – doch Olympia-Teilnehmer Oscar Pistorius war nicht der Träger, sondern das Opfer. Entrissen wurde dem Superstar der Paralympics das fest eingeplante Gold über 200 Meter aber nicht allein durch das befürchtete „Techno-Doping“, sondern auch durch das Regelwerk des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC).

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„Das war unfair, einfach lächerlich“, schimpfte der „Blade Runner“ nach seiner Niederlage gegen den Brasilianer Alan Oliveira: „Er kommt über Nacht mit Stelzen, die zehn Zentimeter zu hoch sind, und läuft solche Zeiten. So schnell war er bisher nicht einmal annähernd. Wir reden seit Monaten auf das IPC ein, dass die Regel geändert werden muss, aber nichts ist passiert.“ Der Brasilianer entgegnete: „Er war bisher mein großes Idol. Aber es ist einfach nur traurig und polemisch, dass er solche Sachen sagt, nur weil ich gezeigt habe, dass er auch von diesem Planeten ist.“

Pistorius ist der plötzlich Gelackmeierte

Und so ist Pistorius, der selbst bis vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS gezogen war, um mit seinen Stelzen den (bis heute umstrittenen) Start bei den Olympischen Spielen zu erwirken, plötzlich der Gelackmeierte. „Die Technik, die ihn zum Superstar gemacht hat, wendet sich gegen ihn“, schrieb der Daily Express. Der Independent sprach vom „streitbarsten Moment in der Geschichte der Paralympics“.

Bis zur Hälfte der Strecke hatte der Brasilianer seine Wunder-Stelze regelrecht versteckt, dann zündete er wie auf Knopfdruck den Turbo und lief die letzten 100 Metzer in 9,8 Sekunden. „Ich habe noch nie in meinem ganzen Leben jemanden gesehen, der acht Meter Rückstand nach 100 Meter aufholt. Das ist doch Wahnsinn“, sagte Pistorius, der dem Brasilianer im Ziel und am nächsten Morgen per Twitter aber gratulierte und ihn als „tollen Sportler“ bezeichnete.

Betrogen hat Oliveira ja auch nicht. Das Problem im Regelwerk: Nach der WM im Vorjahr änderte das IPC das Regelwerk insofern, dass nun die Armlänge darüber Aufschluss geben soll, wie groß ein Sportler mit gesunden Beine wäre. Entsprechend hoch darf die Prothese sein. Dadurch ergeben sich aber offenbar Unregelmäßigkeiten. „Nun sind wir wieder am Punkt Technologie, den wir eigentlich aus den Medien raushalten wollten. So schneiden wir uns ins eigene Fleisch“, sagte David Behre aus Leverkusen, der Siebter wurde: „Man muss sich die Sportler doch nur anschauen. Die Proportionen stimmen nicht. Die Formel hinkt an allen Stellen. Ich weiß nicht, was das IPC sich gedacht hat. Vielleicht war es ja die Absicht, dass das Feld etwas enger zusammenrückt und Oscar nicht immer alleine vorneweg rennt.“

Pistorius’ Landsmann Arnu Fourie, der als sicherer Silberkandidat galt und durch die Leistungen von Oliveira und dem offenbar ebenfalls bevorteilten US-Amerikaner Blake Leeper nur Vierter wurde, sagte ebenfalls: „Man darf den Athleten keinen Vorwurf machen, aber die Regeln sind falsch. Und sie müssen sich ganz bald und ganz markant ändern.“

Für die Zuschauer und Medien war die unerwartete Niederlage des Südafrikaners ein Schock. Sie hatten sich darauf eingestellt, den Superstar der Szene zu feiern. „Foul!“, titelten deshalb zahlreiche Medien am Montag. Und der „Mirror“ stellte fest: „Es gibt noch andere Blade Runners.“ Doch Fakt ist, trotz der strittigen Prothesen: Mit seiner Weltrekord-Zeit aus dem Halbfinale hätte Pistorius die Goldmedaille gewonnen. (sid)