Für Tennis-Ass Kerber ist eine Niederlage keine Tragödie
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New York. . New York. Deutschlands beste Tennis-Spielerin Angelique Kerber hat vor einem Jahr in New York den Durchbruch geschafft. Jetzt spielt sie erneut bei den US Open – geht allerdings ganz anders in das Turnier. Im Interview verrät sie, sie sei selbstbewusster und gelassener geworden.
Hübsch sieht sie aus. Ihre blonden Haare sind zu einem Pferdeschwanz gebunden, der fröhlich auf und ab wippt. Angelique Kerber lacht viel, als sie im Garten des Spielerzentrums hinter dem „Arthur Ashe Stadium“ sitzt – bei den US Open, bei denen sie an diesem Dienstag ihr Erstrundenmatch gegen die Britin Anne Kheotavong bestreitet. Kerber, 24, spricht über ein Jahr, das sie „das beste“ ihrer Karriere nennt. Es begann 2011 hier in New York: Kerber reiste als Nummer 100 der Welt an und erreichte – Überraschung! – das Halbfinale, in dem sie der späteren Turniersiegerin Samantha Stosur unterlag. Heute ist die Kielerin die Nummer sechs der Welt.
Wie sind Sie heute auf die Anlage gekommen, Frau Kerber, haben Sie in diesem Jahr einen Chauffeur?
Angelique Kerber: Nein, aber ich kann jetzt den Limousinen-Service nutzen. Und muss nicht mehr mit dem großen Bus zur Anlage fahren, wie ich das vor einem Jahr noch gemacht habe. Ich werde jetzt auch ganz anders wahrgenommen. Wenn ich hier zu den Trainingsplätzen gehe, schreien die Fans plötzlich meinen Namen. Das ist natürlich ein gutes Gefühl. Aber ich weiß auch, wie das ist, wenn man die Nummer 100 ist. Und im Endeffekt trainieren wir alle gleich hart.
Wie war die Rückkehr an den Ort, an dem Ihr Aufstieg begann?
Kerber besiegt Lisicki
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Kerber: Ich hatte schon ein bisschen Gänsehaut. Das Jahr ist aber so schnell vergangen, mir kommt es vor, als wäre es gestern gewesen: Ich kann mich noch so gut erinnern! Ich kam aus dem Nichts bis ins Halbfinale…
. . . da hat sich wahrscheinlich sogar die Niederlage im Halbfinale schön angefühlt?
Kerber: Genau. In der ersten Hälfte des Jahres hatte ich noch elf Erstrundenniederlagen in Folge – und dann kam plötzlich das hier! Ich glaube, dass viele skeptisch waren, dass sie dachten: Okay, die Kerber hatte jetzt zwei Wochen einen Lauf, gucken wir mal, wie das mit der weitergeht. Aber ich habe bewiesen, dass ich kontinuierlich eine gute Leistung zeigen kann. Als Top-Ten-Spielerin.
So gut wie Sie stand seit Steffi Grafs Rücktritt 1999 keine Deutsche mehr da. Was geschah vor einem Jahr, dass bei Ihnen der Knoten platzte?
Kerber: Es waren viele kleine Dinge, die da zusammen kamen. Ich hatte die Wochen zuvor sehr hart trainiert und meine Fitness verbessert, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass sich das gleich bemerkbar machen würde. Ich hatte keine Erwartungen; mein Ziel war es, die erste Runde zu gewinnen, aber dann schlug ich die Top-Leute. Dadurch bekam ich Selbstbewusstsein, aber der Knackpunkt war, dass ich es genoss, Tennis zu spielen. Ich merkte, dass man mir anders begegnete, positiver, und sog diese Energie in mich rein. Und die hat gehalten!
Sie gewannen seither zwei Turniere, standen in vier Endspielen und im Halbfinale von Wimbledon. Sie sind sehr nervenstark.
Kerber: Ich hatte die letzten Jahre keinen guten Lauf; ich habe vielleicht mal ein Turnier ganz gut gespielt, aber das ging dann nicht weiter. Ich habe dadurch aber gelernt, nicht aufzugeben und an mich zu glauben. Wenn ich nicht gespürt hätte, dass ich es eines Tages schaffen würde, dann hätte ich irgendwann aufgehört. Die Leute in meinem Team sagten: Du hast das Talent, du musst deine Fitness verbessern. Und der Erfolg kommt sowieso, wenn du ihn nicht erwartest. Und so war es dann ja auch. Das hat mich auch als Person verändert, ich bin offener geworden und gehe anders mit Niederlagen um.
Sie denken nicht mehr so viel darüber nach, weil den Niederlagen genug Positives gegenübersteht?
Kerber: Genau. Ich verliere und denke: Okay, die andere war heute besser. Ich war da früher zu hart zu mir, da habe ich mich fünf Tage nach einer Niederlage noch fertig gemacht.
Spüren Sie Druck, dass Sie es wieder so weit bringen müssen?
Kerber: Nein. Wenn ich auf mein Jahr zurückblicke, dann weiß ich: Egal, ob ich hier ins Finale komme oder in der ersten Runde verliere – es wird keine Tragödie sein.
In Runde zwei könnte Ihnen Venus Williams begegnen. Die Williams-Schwestern sind hier sehr präsent. Waren sie Idole Ihrer Kindheit?
Kerber: Meine Idole waren Steffi Graf und Martina Hingis. Aber ich weiß noch, wie ich als Kind mit meiner Familie in Hamburg zum Rothenbaum gegangen bin, und da sah ich eine der Williams’ spielen; Venus, glaube ich. Ich erinnere mich an beide als Powerfrauen, die jede Gegnerin vernichtet haben.
Terminatorinnen.
Kerber: Ja!
Die beiden geben sich gern glamourös, rauschen mit großer Entourage hier an…
Kerber: …mein Ding wäre das nicht. Aber den beiden steht das. Die machen das gut.
Was machen Sie mit all dem vielen schönen Preisgeld – gehen Sie noch shoppen in New York?
Kerber: Ich werde noch zwei, drei Tage dran hängen, um auch mal etwas anderes zu sehen. Ein Museum. Die Freiheitsstatue. Und ja, wenn ich etwas Schönes finde, werde ich mir das sicher gönnen.
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