Berlin. . Arthur Abraham hat den WM-Kampf mit dem Titel “Die letzte Chance“ für sich entscheiden und die Chance nutzen können: In Berlin gewann Abraham das Supermittelgewichts-Duell gegen Titelverteidiger Robert Stieglitz nach Punkten und sicherte sich damit den WBO-Gürtel.

Als Arthur Abraham zwölf Minuten nach Mitternacht den Weltmeister-Gürtel endlich um seine Hüften legte, konnte er die Tränen nicht mehr zurückhalten. Von seinen Gefühlen übermannt, schluchzte der Profiboxer hinter einer schwarzen Baseball-Kappe los. Etwas tapsig versuchte der neue Champion, mit seinen klobigen Boxhandschuhen die Tränen aufhalten - vergeblich. Die Emotionen mussten raus. Es schien, als habe sich im Moment des Triumphes ein Ventil geöffnet für den angestauten Druck, der auf dem fast schon abgeschriebenen Abraham gelastet hatte.

"Das war ein sehr, sehr emotionaler Moment. Ich bin sehr glücklich und sehr stolz. Ich kann es kaum beschreiben", sagte der Deutsch-Armenier nach seinem einstimmigen Punktsieg im packenden Duell gegen WBO-Titelverteidiger Robert Stieglitz. "König" Arthur eroberte erstmals auch im Supermittelgewicht den WM-Thron - und wie! Nicht mit einem seiner gefürchteten K.o.-Schläge, sondern mit einer taktischen Meisterleistung wendete der Pflichtherausforderer sein drohendes Karriereende vorerst ab.

Abraham: "Ich habe zwei Jahre lang Tiefschläge kassiert"

"Ich habe zwei Jahre lang Tiefschläge kassiert, innerlich viel mit mir gekämpft. Jetzt bin ich wieder ein glücklicher Mann", sagte Abraham. Eine erneute Niederlage nach den drei niederschmetternden Klatschen im Super-Six-Turnier - und der frühere Mittelgewichts-Champion hätte wohl keine WM-Chance mehr erhalten. Jetzt aber winken weitere lukrative Kämpfe - und eine kulinarische Belohnung. "Meine Mama soll mir meine geliebten Bratkartoffeln machen", sagte Abraham: "Ich kann das Restaurant-Essen nicht mehr sehen."

Seine fettige Leibspeise gönnte ihm selbst der strenge Uli Wegner. Der Trainer platzte förmlich vor Stolz. "Arthur hat die taktische Linie gehalten. Er hat fast so clever geboxt wie Sven Ottke damals", sagte Wegner und verriet: "Ich habe ihn auch mental aufgebaut. Wie, das bleibt mein Geheimnis."

Es hat auf jeden Fall geholfen. Der auch konditionell stark verbesserte Abraham ließ vor 10.000 begeisterten Zuschauern in der Berliner Arena am Ostbahnhof den technisch überlegenen Stieglitz mit einer sicheren Doppeldeckung auflaufen. Er selbst fand mit seinem gefürchteten "Abrahammer" immer wieder eine Lücke und fügte seinem Gegner drei Cuts im Gesicht zu. Während Stieglitz jeweils zu Rundenbeginn sein Pulver verschoss, konzentrierte sich Abraham mit gezielten Aktionen auf die letzte Minute und sicherte sich so die meisten Runden auf den Punktzetteln der Ringrichter.

Abraham verteidigt den Titel am 15. Dezember - Gegner steht noch aus

Promoter Kalle Sauerland blieb beim Zuschauen fast die Spucke weg: "Ich habe mich während des Kampfes gefragt: Arthur, wo zum Teufel hast Du in den letzten zwei Jahren gesteckt? Wir waren sehr weit unten, jetzt sind wir wieder ganz oben." Am 15. Dezember verteidigt Abraham in Nürnberg erstmals seinen Titel, der Gegner steht noch nicht fest. Dass sich Mittelgewichts-Weltmeister Felix Sturm selbst ins Gespräch gebracht hat, hält das Abraham-Lager für einen reinen PR-Gag. WBA-Champion Sturm tritt am kommenden Samstag zum Vereinigungskampf gegen IBF-Weltmeister Daniel Geale an.

"Wir hatten ihm zweimal ein Angebot gemacht, das letzte sogar über zwei Millionen Euro. Er hat immer abgelehnt. Sturm wird sich den Kampf angesehen haben und jetzt bestimmt überlegen, ob er wirklich gegen Arthur boxen will", sagte Sauerland. Abraham selbst ist der Name des nächsten Gegners egal: "Ich boxe den, den mein Management mir hinstellt."

In naher Zukunft dürfte es aber zu einem Rückkampf gegen Stieglitz kommen, denn der ist vertraglich vereinbart worden. Der 31-Jährige, der seinen WM-Gürtel bei seiner siebten Titelverteidigung verlor, konnte wegen der ärztlichen Versorgung seiner tiefen Cuts auf der Pressekonferenz nach dem Kampf nicht erscheinen. Dafür schwärmte Promoter Ulf Steinforth von seinem unterlegenen Schützling in höchsten Tönen: "Wie er trotz der Verletzungen nicht aufgesteckt hat, das war großer Sport. Er ist ein Held für mich." (sid)