London. . Lyn Byl ist gebürtige Wuppertalerin, Handballerin und hat eine englische Mutter. So kann sich die 32-Jährige jetzt ihren Olympia-Traum erfüllen. Denn Großbritannien, wo Handball noch in den Kinderschuhen steckt, trommelte kurzerhand per Internet-Aufruf Spielerinnen mit britischem Pass zusammen. Byl, zuletzt für Bayer Leverkusen in der Bundesliga aktiv, trainiert jetzt seit einem Jahr mit dem zusammengewürfelten „Team GB“ und freut sich auf ganz spezielle „Heimat-Spiele“ in London.

Wie kamen Sie in dieses Team?

Lyn Byl: Als Olympia nach London ging, habe ich im Internet mal geguckt, weil mir schon bewusst war, dass Handball überhaupt nicht groß ist in Großbritannien. Im Internet habe ich dann so einen Aufruf gesehen: Sie haben nach Spielerinnen gesucht mit doppelter Staatsbürgerschaft, die in Europa spielen oder deren Eltern britisch sind – und dann noch per „Casting“ nach Talenten: nach jungen Sportlerinnen aus anderen Sportarten. Zwei, die erst von vier, fünf Jahren mit Handball angefangen haben, stehen jetzt in unserem Kader – eine kam vom Fußball, eine hat vorher Hockey gespielt.

Per Mausklick zu Olympia?

Byl: So ungefähr. Ich habe einfach ein Formular ausgefüllt und an den britischen Handballverband geschickt. Im September 2008 habe ich mir das Projekt dann mal angeguckt und war begeistert. Es war für mich noch einmal ein Kick in meiner Handball-Karriere.

"England ist mein Sportland"

Inwiefern?

Byl: Ich hab’ mit 17 angefangen in der Bundesliga zu spielen und hab’ mich da durchgesetzt. Aber mit Ende 20 war mir auch klar: Die deutsche Nationalmannschaft ist für mich kein Thema mehr, als Kreisläuferin war ich da einfach nicht mehr gut genug. Meine Länderspiele hatte ich mit 19 noch als Außen gemacht.

Fühlen Sie sich denn britisch?

Byl: Meine Mutter ist Engländerin und meine Großeltern waren hier in London. Wir sind als Kinder viel in England gewesen. Mir war immer klar, dass ich halb-halb bin. Ich bin in Deutschland groß geworden und habe da meine Wurzeln. Aber das ist kein Konflikt für mich: England ist mein Sportland. Und meine Mutter und mein Vater sind auch sehr stolz auf mich.

Leben von den Ersparnissen

Sie haben in Köln als Physiotherapeutin gearbeitet. Seit dem vorigen Sommer sind sie in London – wie finanzieren Sie sich?

Byl: Ich arbeite jetzt gar nicht mehr. Anfangs hab’ ich noch in einem Öko-Kosmetik-Laden gejobbt. Das habe ich aufgegeben, weil es zeitlich nicht so gepasst hat und nicht viel eingebracht hat. Ich habe auch für das Junioren-Team als Physiotherapeutin gearbeitet. Sonst lebe ich hier von meinen Ersparnissen, ein Jahr London reißt schon ein Loch. Aber wir haben auch eine Unterstützung vom Verband: Wir wohnen für Londoner Verhältnisse spottbillig und wir dürfen umsonst Bahn fahren. Ich wohne mit zwei Teamkolleginnen in einem WG-Haus in Crystal Palace direkt im Sportpark – sehr schön.

Was wollen Sie mit ihrem Team bei Olympia erreichen?

Byl: Wir haben ja das große Ziel Viertelfinale. Das ist aber extrem hochgesteckt. Wenn wir ein Vorrundenspiel gewinnen – vielleicht gegen Angola – wäre das aber schon der Hammer.

Wie trainieren Sie in London?

Byl: Zweimal am Tag – sechs Tage die Woche. Ich glaube, dass ich bei Olympia den besten Handball spiele, den ich jemals gespielt habe. Mit 32 – das ist doch nicht schlecht.

Wird das Ihr Karriere-Highlight?

Byl: Das ist mit nichts zu vergleichen, was ich vorher gemacht habe. Ich hoffe, dass die deutschen Zuschauer sagen: „Oh, Lyn Byl haben wir ja früher in der Bundesliga kaum wahrgenommen. Aber jetzt ist sie eine richtige Kanone.“