Danzig. Im Juni 2004 debütierte der 19-jährige Lukas Podolski für Deutschland. Acht Jahre später bestreitet er schon sein 100. Länderspiel - am Sonntag bei der EM gegen Dänemark. Der Herzens-Kölner wird immer mit dem Wiederaufbau der Nationalmannschaft aus Ruinen identifiziert werden.

Im weitläufigen Vorbereitungsdomizil in Südfrankreich soll sogar der ansonsten nur durch Frisurprobleme zu erschütternde Tim Wiese beim Golf-Cart-Rasen mit Lukas Podolski am Steuer gestöhnt haben: Poldi, du übertreibst, lass’ es, nicht so wild! Aber richtig böse sei der Torhüter Nummer zwei nicht gewesen, wird aus dem Umfeld der Nationalmannschaft berichtet, lediglich mit Blick auf die EM in Polen und der Ukraine besorgt um die eigene körperliche Unversehrtheit und die des jungen Kollegen.

Gomez bezeichnet Podolski als "Topspieler und Topmensch"

Es gelingt nicht vielen Anekdoten, die blickdichten Zäune zu durchdringen, die das deutsche Ensemble auf Reisen zu begleiten scheinen wie Trikotsets. Wenn aber, dann ist Lukas Podolski meist der Handlungsträger. Er kann seine kleine Welt mit Späßchen in die Verzweiflung treiben wie der Michel aus Lönneberga. Sturmkollege Mario Gomez: „Es gibt schon mal die Faust ins Kreuz.“ Aber er hat auch wie der schwedische Kinderbuch- und Filmheld die Gabe, seine kleine Welt in Ordnung zu bringen. Noch einmal der Sturmkollege: „Lukas ist nicht nur ein Topspieler, sondern auch ein Topmensch.“

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Für den Topspieler steht am Sonntag um 20.45 Uhr im ukrainischen Lwiw die 100. Partie mit dem nationalen Ensemble an. Die 100. Partie! Gegen Dänemark. Thomas Häßler (101), Jürgen Kohler (105), Jürgen Klinsmann (108), Franz Beckenbauer (103), Miroslav Klose (118) liegen noch vor ihm. Lothar Matthäus führt das Ranking mit 150 Einsätzen an. Aber der ewige Lothar brauchte 20 Jahre um die Stufen hinaufzuklettern. Podolski debütierte im Juni 2004 im Alter von 19 Jahren bei einer 0:2 verloren gegangenen Auseinandersetzung mit Ungarn unter Ex-Teamchef Rudi Völler. Und am 4. Juni, am Tag der Ankunft in Danzig, am Tag, an dem die Mission EM offiziell eingeläutet wurde, feierte er erst den 27. Geburtstag.

Heimat Nationalmannschaft

Dass der lustigste Vogel aus der nationalen Voliere als ein Großer seines Sports in die Geschichte eingehen wird, ist damit festgeschrieben. Dass er trotz eines ersten Auftrittes in düsterer Zeit immer identifiziert werden wird mit dem Wiederaufbau der Nationalmannschaft aus Ruinen, ist ebenfalls sicher. Für Podolski selbst aber sind Statistiken nicht von Bedeutung. „Es gibt Wichtigeres.“ Und die Nationalelf ist ihm mehr Heimat als Projekt: „Es ist doch keine Frage, dass ich mich hier sauwohl fühle.“

Anhaltend sauwohl, schlicht sauwohl. Irgendwann hat der Kamerad Bastian Schweinsteiger, der ebenfalls 27-Jährige, der Ebenfalls-Lautern-Debütant, einmal gesagt: „Ich bin wahrscheinlich zu oft mit dem Poldi gesehen worden.“ Und was er meinte, war: Dieser Poldi-Schweini-Hype des WM-Sommermärchenjahres 2006 habe ihm geschadet auf seinem Weg zur Führungskraft in der Elite-Auswahl. Schweinsteiger aber wollte in die ernsthafte Rolle hineinschlüpfen. Podolski dagegen handelt nach dem Ich-will-bleiben-was-ich-bin-Prinzip: „Führungsansprüche habe ich noch nie gestellt. Ich freue mich, wenn ich einfach auf dem Platz stehen kann.“

Bundestrainer Löw lobt die neue Disziplin

Ob der Neu-Arsenal-Akteur aber tatsächlich das 100. begehen wird gegen die Dänen, in dieser Partie, die „einfach nur gewonnen“ werden muss, um ins Viertelfinale vorzustoßen? Wie schon so oft in den vergangenen acht Jahren wird darüber spekuliert, ob die spektakulärste Serie in der Historie nicht doch reißen könnte. Schließlich wurde Podolski von Journalisten kritisiert, weil es bei ihm an Offensivaktionen mangelte beim 2:1-Sieg gegen die Niederländer. Bedeutet das nicht…?

Joachim Löw aber lobte die neue Disziplin seines langjährigen Schülers auf dem schwierigen Pfad zu Spiel 103, zum EM-Finale in Kiew. Die Disziplin in einem vom linken Offensiven oft vernachlässigten Fach: der Defensive. Und der Bundestrainer weiß, dass er sich auf Podolski verlassen kann, egal, welche Aufgabe er ihm überträgt, weil der Fußball kann, weil der „stolz und froh ist, den Adler auf der Brust zu haben“. Und die Journalisten wissen auch, dass ihnen etwas fehlen würde, wenn sie ihren Poldi einmal nicht hätten, denn der gebürtige Pole und Herzens-Kölner bringt in jede kleine Welt ein bisschen Freude: „Wenn die Nationalmannschaft ein Klub wäre“, hat er am Freitag erklärt, „dann wäre, das sicher ein Klub wie der FC.“ Und: lachen.