Hamburg/Rom. Nachdem sich der angeschlagene Superstar Usain Bolt sein langsamstes 100-m-Rennen als professioneller Sprinter mehrfach bei der Internet-Videoplattform angesehen und die Fehler mit seinem Trainer Glen Mills besprochen hat, läuft der Jamaikaner verbal schon wieder zur Höchstform auf.

„In Ostrau hatte ich einen schwachen Tag, aber das ist für mich kein Problem. Es ist nicht möglich, immer schnell zu laufen“, sagte Bolt vor dem Diamond-League-Meeting in Rom, „aber am Donnerstag wird mich das nicht mehr belasten.“

Der 25-Jährige mit den großen Entertainer-Qualitäten will auf der schnellen Bahn wieder seine gewohnte Leistung abrufen. „9,7 Sekunden wären toll, aber Voraussagen sind schwierig.“ In Rom trifft er auf seinen Landsmann Asafa Powell und Christophe Lemaitre. Der Franzose ist der erste weiße Sprinter, der die Zehn-Sekunden-Marke knackte (9,92).

Bolt war nach dem Debakel von Ostrau, wo er mit für ihn indiskutablen 10,04 Sekunden gestoppt wurde, sichtlich um Lockerheit und demonstrativ zur Schau gestelltes Selbstbewusstsein bemüht. „Mit einer Zeit von zehn Sekunden kann ich natürlich nicht zufrieden sein, aber ich mache mir keinen großen Stress und habe Vertrauen in meine Stärken. Wir sind alle nur Menschen“, sagte Bolt.

Von Bolt wurden Wunderdinge erwartet

Doch bislang galt der Weltrekordhalter über 100 m (9,58 Sek.) und 200 m (19,19 Sek.) eben nicht als normaler Bewohner dieses Planeten. Von Bolt wurden spätestens nach seinen drei Goldmedaillen bei den Olympischen Spielen in Peking immer Wunderdinge erwartet und gefordert - und Bolt befeuerte diesen Hype zusätzlich mit seinen kessen Sprüchen ('Ich will eine lebende Legende werden“) und entsprechenden Leistungen.

Doch der Spaßmacher wirkt in diesem Jahr so ernst wie lange nicht, auch wenn er das Gegenteil behauptet. „Ich mache mir nie Sorgen. Ich würde mir noch nicht einmal Sorgen machen, wenn ich bis zu den Olympischen Spielen jedes Rennen verlieren würde“, sagte Bolt, der länger mit dem Kopf schüttelte als Handküsse in die Menge zu verteilen.

Bolts „Beine haben sich nicht gut angefühlt“

Der 1,95 m große Modellathlet und Hobby-DJ machte für seinen kraftlosen Auftritt in Tschechien wenig Schlaf und unregelmäßige Nahrungsaufnahme verantwortlich. „Meine Beine haben sich nicht gut angefühlt“, sagte Bolt, „und vielleicht steckte mir auch noch der Jetlag in den Knochen.“ Sein riesiges Selbstbewusstsein habe unter der Enttäuschung nicht gelitten. „Langsam bin ich da, wo ich hin will“, meinte Bolt und versuchte Zuversicht auszustrahlen, „es kommen sicher noch viele gute Rennen in dieser Saison.“

Deshalb arbeite er mit seinem Trainer intensiv am Start und am Übergang in die ersten Meter mit dem Aufrichten und dem Erreichen der Höchstgeschwindigkeit. Rund 41 Schritte braucht Bolt bis ins Ziel. Einen erneuten Fehltritt will und muss er im Hinblick auf London und seinen Konkurrenten Yohan Blake ausschließen. „Mein Trainer weiß genau, was zu tun ist“, sagte Bolt. Doch Mills verzichtet auf die Europa-Tournee seines Schützlings. Bis zu den jamaikanischen Trials kann er Bolts Rennen nur über das Internet analysieren. Optimal ist das nicht. Genau wie Bolts Rennen ist Ostrau. (sid)