Mülheim. Sport ist nicht immer nur schön. Doping, der Sportbetrug, ist der böse Bruder mancher Olympia-Medaille. Juliane Schenk spricht offen über das Kontrollsystem, mit dem sie nicht in jedem Punkt einverstanden ist. Um ihre Kritik zu verstehen, muss man sich Zeit nehmen.

Juliane Schenk ist die beste deutsche Badminton-Spielerin. Die 29-Jährige, die in Mülheim lebt und trainiert, hat im vergangenen Jahr bei der WM Bronze gewonnen, ist Vize-Europameisterin und steht in der Weltrangliste auf Platz acht. Bei den Olympischen Spielen, die am 27. Juli in London beginnen, will sie eine Medaille gewinnen. In der Serie „Der Weg nach London“ begleiten wir Juliane Schenk bei ihrer Vorbereitung.

Sport ist nicht immer nur schön. Doping, der Sportbetrug, ist der böse Bruder mancher Olympia-Medaille. Juliane Schenk weiß das. Sie sagt: „Ich will einen sauberen Sport.“ Das sagen alle, sonst sagen sie oft nicht viel mehr. Schenk schon, sie spricht offen über das Kontrollsystem, mit dem sie nicht in jedem Punkt einverstanden ist. Um ihre Kritik zu verstehen, muss man sich Zeit nehmen. Komplexe Geschichten lassen sich nicht in einem Satz erzählen.

Die 29-Jährige unterliegt dem Kontrollsystem, seitdem sie in die nationale Spitze vorgestoßen ist. Aufs Jahr genau kann sie sich nicht an ihre erste Dopingkontrolle erinnern. Vielleicht ist es schon 15 Jahre her, vielleicht erst 14 Jahre. Schenk hat während dieser Jahre immer alles mitgemacht, „weil ich den Sinn im Kampf gegen Doping sehe.“ Seit dem Jahr 2009 haben die Kontrollen jedoch eine neue Qualität erhalten. Die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada hat damals das Meldesystem „Adams“ eingeführt. Adams ist die Abkürzung für das Anti-Doping Administrations- und Management-System.

Adams ist ein neugieriges System

So kompliziert der Name, so schwierig die Handhabung. „Als ich mich zum ersten Mal bei Adams angemeldet habe, war ich sofort in der misslichen Lage, alles falsch gemacht zu haben“, sagt Schenk. Adams ist ein neugieriges System, das die Sportler zu gläsernen Menschen machen möchte. Schenk erklärt, wie es funktioniert: „Jeder Athlet bekommt ein Passwort, mit dem er sich auf die Internet-Seite von Adams einloggen kann. Hat man sich angemeldet, erscheint eine Seite mit Kästchen für jeden Tag der folgenden drei Monate. In diese Kästchen muss man nun eintragen, wo man an jedem betreffenden Tag sein wird.“

Das ist die Basis, dazu hat jeder Athlet eine weitere Pflicht: Er muss für jeden Tag der folgenden drei Monate eine Stunde und einen Ort angeben, an dem er mit Sicherheit für den Dopingkontrolleur erreichbar ist.“

Zweijährige Wettkampf-Sperre nach drei Missed Tests

Taucht der Fahnder dann auf, und der Athlet ist nicht anwesend, gilt das als „Missed Test“ (Verpasster Test). Der Sportler kriegt Ärger. Drei Missed Tests bedeuten: eine zweijährige Wettkampf-Sperre.

Wie geht Schenk mit diesen Regeln um? „Ich habe als Uhrzeit für die Kontrolleure die Stunde zwischen 10 und 11 Uhr angeben, der Ort ist meine Trainingshalle in Mülheim.“ Soweit, so gut. Doch es gibt einen Haken: „Wenn ich diese Stunde spontan anders verplane und mich nicht abmelde, kann das Ärger geben.“ Genau das ist einmal passiert: Die Kontrolleure trafen Schenk nicht an, und sie erhielt ein Einschreiben. „Ich sollte mich umgehend äußern.“

Schenk antwortete, dass sie spontan zu einem Turnier der Jugendrangliste gefahren sei und während der Fahrt eine SMS mit ihrem neuen Aufenthaltsort verschickt habe. Diese SMS schien aber nie angekommen zu sein. Da sich Schenk aber noch nie eines Vergehens schuldig gemacht hatte, wurde der Fall zu den Akten gelegt.

Doch warum sind eigentlich die Handys erfunden worden? Schenk schüttelt den Kopf: „Die Kontrolleure dürfen mich nicht anrufen, wenn sie mich nicht finden.“

Das klingt absurd. Doch Helmut Pabst, der seit 20 Jahren als Doping-Fahnder unterwegs ist, erläutert den Hintergrund. Dabei geht es nicht um Juliane Schenk, sondern um eine allgemeine Erklärung. Nach einem Anruf, so sagt Pabst, könne er sich jede Kontrolle sparen. Eine halbe Stunde Vorwarnzeit reiche aus, um einen Betrug vorzubereiten.

Schenk sieht Sportler in Freiheit eingeschränkt

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Das ist die Sicht der Kontrolleure. Die Sicht der Badminton-Spielerin Schenk ist die: „Wir sind nicht nur in unserer Freiheit eingeschränkt, sondern geben auch unser Leben weitgehend preis. Spontanität ist mit diesem Kontrollsystem also nicht wirklich spontan.“

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, betont Juliane Schenk: „Jeder, der dopt, schadet doch nur seinem Körper und seiner Gesundheit. Wie kann man für sich selbst zu so einem Entschluss kommen? Ich bin absolut gegen Doping und für ein Kontrollsystem.“ Nur: Könnte es nicht ein besseres, ein klareres System sein? Eins, das nicht auf wenige Länder beschränkt ist? Denn während Adams in Deutschland streng überwacht wird, lachen sie sich in China oder Weißrussland hinter vorgehaltener Hand darüber schlapp.

Schenk hat eine Idee: „Wie wäre es, wenn alle Medaillengewinner nach ihrem Erfolg auf Herz und Nieren kontrolliert würden.“ Natürlich ist der 29-Jährigen bewusst, dass auf diese Art nicht alle Vergehen entdeckt würden. „Aber wenn die Forscher dafür einen Weg finden würden, dann wäre es doch mit einer Medaillenprüfung auf Echtheit eine gute Idee, oder?!“