Je mehr von Trainer-Ikone Otto Rehhagel in Berlin der Lack abblättert, umso heller strahlt der Stern des Dortmunder Meistermachers Jürgen Klopp. Ein Kommentar
Es hätte so schön sein können. Vor Spielbeginn wäre der ältere Herr auf der Ehrentribüne von den Gastgebern herzlich begrüßt und – was ihm geschmeichelt hätte – von ein paar Fans beim Vornamen gerufen worden. Nach der Partie wäre er dann noch auf das eine oder andere Glas Champagner beim Siegerbankett geblieben, ehe er gemeinsam mit seiner Frau in seine nahe Essener Wohnung zurückgefahren wäre.
Wie gesagt, es hätte ein entspannter Abend für Otto Rehhagel werden können, der bis vor zwei Monaten noch regelmäßiger Gast bei den Heimspielen von Borussia Dortmund war. Aber der 73-Jährige hatte ja noch einmal das Abenteuer gesucht, und so durfte er am Samstag in Berlin darüber grübeln, wie es passieren konnte, dass sein (von ihm) oft zitierter „Schatz an Erfahrungen“ von Hertha in zehn Spielen gerade mal zu acht Punkten genutzt wurde.
Sicher, das sich abzeichnende Desaster an der Spree, das er kleinlaut und auf fast schon Mitleid erregende Weise der „dramatischen personellen Situation“ zuschrieb, wird eine Fußnote in Rehhagels beeindruckender Erfolgsgeschichte sein. Aber es bedarf auch keiner großen Fantasie, um sich vorstellen zu können, dass sich der Essener wohl spätestens nach dem 1:2-Reinfall gegen Kaiserslautern nach seinem Tribünenplatz in Dortmund zurückgesehnt hat. Von dort aus hätte der frühere BVB-Coach diesmal erleben können, dass es Steigerungen im Sport auch dann noch geben kann, wenn alle Welt sie für ausgeschlossen hält. Und dass die menschliche Gefühlsskala, so sie auch ausgereizt scheint, nach oben offen ist.
Wer etwa unverdrossen glaubt, das erste Mal sei immer am schönsten, hat die Borussen und speziell ihren Trainer nach dem 2:0 über Gladbach nicht jubeln sehen. Ausgelassen, mit kindlicher Freude. Als ob es die Titelfeiern vor einem Jahr nie gegeben hätte. Wobei es eine passende Schlusspointe dieser von Jürgen Klopp aus gutem Grund als „absolut verrückt“ bezeichneten BVB-Saison war, dass erst Bayern Münchens Last-Minute-Tor in Bremen die Voraussetzung schuf, die Emotionen in der Dortmunder Arena noch einmal in neue Höhen zu katapultieren.
Was die sportliche Seite betrifft, kann die Art und Weise der Titelverteidigung angesichts eines starken FC Bayern, der wild entschlossen war, den vermeintlichen Betriebsunfall des Vorjahres vergessen zu machen, gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Um einen Vergleich mit Rehhagels Karriere zu bemühen: Es war, als wäre „König Otto“ mit Griechenland ein zweites Mal Europameister geworden. Je mehr bei der Trainer-Ikone zuletzt der Lack abblätterte, desto glänzender stand in Dortmund „Kloppo“ im Ruf eines Erneuerers da.