München. . Die Münchener dürfen nach dem 2:1 gegen Real weiterhin auf das Champions-League-Finale am 19. Mai in ihrer eigenen Arena hoffen und kündigen deshalb an, auch in Madrid offensiv spielen zu wollen.

Es sind schon merkwürdige Veränderungen, die der Fußball mit den Menschen anstellt.

Franck Ribéry zum Beispiel, Bayerns Bester an diesem Abend, ach was, der beste Mann auf dem Platz bei diesem Münchener 2:1-Sieg über Real Madrid. Ribéry verdient Millionen, man sagt über ihn, das Kind französischer Vorstädte, dass er an seinen besten Tagen diese Wut in sein Spiel packt, die aus dem Schatten französischer Hochhäuser wächst. Nach dem Halbfinal-Hinspiel der Champions League war ein bisschen zu spüren von dem einfachen Jungen im Weltstar. Wie ein Fan stand Ribéry vor dem großen Zinedine Zidane, er reckte ihm seinen Sohn entgegen, der in einem zu großen Bayern-Trikot steckte, und Ribérys Vater schoss stolz ein paar Fotos von der Begegnung seines Sohns mit dem Sportdirektor von Real Madrid. Spätestens da ahnte man: Der Respekt der Bayern vor dem Nimbus Real ist ungebrochen, es wird im Rückspiel noch ein hartes Stück Arbeit, um ins Finale der Champions League zu kommen.

Zumindest aber paart sich der Respekt, der aus der schieren Größe des Madrider Rufs erwächst, mit dem Selbstbewusstsein, es Real im Hinspiel gezeigt zu haben. Bayern München hatte Madrid dominiert, jedenfalls über weite Strecken. Sie hatten den eigenwilligen, ja exzentrischen Startrainer Jose Mourinho so weit gebracht, dass er nach 70 Minuten seinen Spielmacher und Torschützen Mesut Özil durch den defensiven Marcelo ersetzte. Ein Signal, das weithin verstanden wurde als Mourinhos Eingeständnis, an diesem Abend mit einem 1:1 zufrieden zu sein.

Es wurde nichts mit dem 1:1. Weil die Bayern spürten, dass das zu wenig sein könnte, dass sie mehr verdient hatten an diesem Abend, an ihrem Abend. Als Philipp Lahm sich nach 90 Minuten endlich einmal auf seiner Seite bis zur Grundlinie durchgespielt und Mario Gomez den Ball mit dem Knie zum Siegtor über die Linie gedrückt hatte, begriff das ganze Stadion, dass dies eine Belohnung war für eine Tugend, die die Bayern nicht immer gezeigt haben in dieser Saison: Nie aufzugeben, den Sieg zwingen zu wollen.

Diese selten zu sehende Qualität hat vor allem ihren Trainer Jupp Heynckes bewegt. Der 67-Jährige, kreuzfidel übrigens, wies danach gleich mehrfach darauf hin, was er vor dem Spiel gefordert und was seine Elf dann auch gezeigt habe: „Leidenschaft, Gier, Hunger.“ Diese Eigenschaften, die die deutschen Fußballfans derzeit automatisch mit Borussia Dortmund verbinden, kündigte Heynckes auch für das Rückspiel an, wenn auch in anderen Worten: „Wir werden unserer Linie treu bleiben. Wir werden auf Sieg spielen und nicht auf Unentschieden.“

Das würde dann so etwas wie die Flucht nach vorne, und wahrscheinlich sind die Bayern damit gut beraten. Am Dienstag klappte es mit Rückkehrer Bastian Schweinsteiger noch nicht so gut, ihm fehlt nach seiner langen Verletzung noch die Praxis, aber Heynckes bereitet so schnell nichts mehr schlaflose Nächte. Am Wochenende will er Schwein-steiger noch einmal eine Stunde lang bringen, in der Bundesliga beim bedeutungslos gewordenen Spiel in Bremen, danach soll es im Rückspiel am Mittwoch in Madrid für 90 Minuten reichen. Schweinsteiger wird gebraucht, er ist der Stratege dieser Elf, er gibt ihr Sicherheit.

Mourinho bleibt cool

Denn noch hat Bayern seinen Respekt vor Reals offensivem Potenzial und der strahlenden Selbstgewissheit, die dieser Verein auch in der Niederlage ausstrahlt, nicht überwunden. Cristiano Ronaldo, der beste Gockel seit Erfindung des Fußballs, deutete in München lediglich an, wozu er fähig ist. Aber beim Tor zum 1:1 blitzte Reals Können auf, der Hochgeschwindigkeits-Angriff stürzte Bayerns Defensive in komplette Verwirrung. Dazu kommt dieses Auftreten von Spielern und Trainern, gegen das Bayerns „Mia san Mia“ so überzeugend wirkt wie ein Kind, das behauptet, sich allein zu Hause nicht zu fürchten und dann unters Bett schaut, ob sich ein Gespenst versteckt hat.

Die Geister, die er mit dem 1:2 gerufen hat, scheinen Jose Mourinho jedenfalls nicht zu beeindrucken. Er, der sich sonst stets und ständig an Schiedsrichtern reibt, regte sich nicht einmal darüber auf, dass der Engländer Howard Webb vor dem 1:0 durch Ribéry eine Abseitsstellung von Luis Gustavo übersehen hatte. „Es ist kein schlechtes Ergebnis“, sagte Mourinho schließlich zum 1:2, „wir müssen im Rückspiel keine verrückten Sachen machen, ein normales Ergebnis wie ein 3:1 reicht uns.“

Bayerns Traum vom 19. Mai, vom Finale im eigenen Stadion, er lebt. Aber die Fotoapparate sollten Ribéry und Co. zu Hause lassen.