München. . Vor Real Madrid trainierte José Mourinho Vereine wie den FC Chelsea und Inter Mailand. Laut Michael Ballack hat er ein ganz besonderes Verhältnis zu seinen Spielern. Am Dienstagabend trifft Mourinho mit Real im Halbfinale der Champions League auf den FC Bayern München.
Als niemand mehr damit rechnet, passiert es schließlich doch noch. Ein Mal an diesem Abend, ein einziges Mal nur, lächelt Josè Mourinho.
Es geht um die Frage, ob er sich vorstellen kann, irgendwann einmal Bayern München zu trainieren. Eine harmlose Frage, nicht einmal eine besonders originelle Frage. Aber als ob er für einen Moment vergessen hätte, dass er die meisten Journalisten, die vor ihm sitzen, nicht sonderlich achtet. Dass er ihre Fragen nicht mag, dass er ihre Bewunderung vermisst und ihnen deshalb daheim in Madrid seit Wochen jedes Gespräch verweigert, ruckt Jose Mourinho nach vorne. Er greift zum Kopfhörer, hält ihn hoch und ein einziges Mal legt sich ein Lächeln über seine vorher und nachher betont teilnahmslose Mimik: „Sehen Sie das hier?“, fragt Mourinho, und wedelt mit seinem Kopfhörer umher. „Deshalb komme ich nicht nach Deutschland. Ich beherrsche die Sprache nicht, aber ein Trainer lebt von der Kommunikation mit seinen Spielern. Ohne Sprache geht es nicht.“
Vielleicht hat er es nicht gewollt an diesem Abend. Aber da sind sie, die beiden so widersprüchlichen Seiten dieses großen Trainers und Exzentrikers, der sich anschickt, mit Real Madrid in den Himmel zu stürmen. Und der doch so viele Beobachter verstört auf der Erde zurück lässt.
Reals Präsident Perez holte Mourinho vor zwei Jahren nach Madrid
Josè Mourinho ist nicht leicht zu verstehen. Er stammt aus gutbürgerlichen Verhältnissen, seine Eltern wohnen noch immer in der einfachen Wohnung im zweiten Stock des schmucklosen Hauses in der Rua Marino Coelho in Setúbal, obwohl sie inzwischen weitere Immobilien besitzen. Wenn sie mal nicht in der Kirche waren, wissen die Nachbarn, dass sie verreist sind. Auch José Mourinho ist gläubig, liest im Hotel vor jedem Spiel „drei, vier Verse aus der Bibel. Das gibt mir ein gutes Gefühl“, sagt Mourinho.
Er hat den FC Chelsea trainiert, Inter Mailand. Und nun, seit zwei Jahren, Real Madrid. Florentino Perez, der Präsident, hat ihn geholt, weil der FC Barcelona den Madrilenen Titel, Sympathien und Selbstachtung geraubt hat. Mourinho soll das ändern, zumindest soll er Titel holen. In dieser Saison sieht es gut aus, Real führt in der Meisterschaft, es muss im Halbfinale der Champions League Bayern München aus dem Weg räumen (Dienstag, 20.45 Uhr live im DerWesten-Ticker), dann würde im Finale wahrscheinlich Barcelona, der große Rivale warten. Real stürmt unter Mourinho wie nie zuvor, es hat allein in der Meisterschaft 107 Tore erzielt. Und doch.
Und doch reibt man sich an diesem Trainer, der als hart gilt, als besessen, der nicht nur den Gegnern Reals auf die Nerven geht mit regelrechten Verschwörungstheorien, meist über Schiedsrichter. Der sich schlicht daneben benimmt, der Barcelonas Assistenzcoach auf der Bank ins Auge piekst, der sich aufgeführt hat wie Gottes Geschenk an den Fußball. Manche behaupten, er habe sich Real längst angeeignet.
Aber wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass Mourinho ein Lächeln aufs Gesicht rutscht, als es um die Kommunikation mit seinen Spielern geht. Dieser Mann hat eine sentimentale Seite und er steht in dem phänomenalen Ruf, dass es nicht einen Spieler geben soll, der unter ihm trainiert und nachher je etwas Schlechtes gesagt hat.
Tränen bei Mourinho-Abschied
Im Mai 2010 hat Mourinho Inter Mailand verlassen, sein Team hatte gerade die Champions League gewonnen, gegen Bayern übrigens. Bei Inter spielte Marco Materazzi, und bei wem es nicht sofort klingelt: Materazzi ist der Mann, der 2006 im WM-Finale den großen Zinedine Zidane bis zur Weißglut und zum Kopfstoß provoziert hat, An diesem Abend im Mai aber sagt ihm Mourinho, dass er gehen wird. Beide weinen, herzzerreißend. Es ist der Trennungsschmerz zweier Männer, die lediglich zwei Jahre lang Arbeitskollegen waren, der eine Spieler, der andere Trainer. Dieser Moment sei „der traurigste“ gewesen, sagt Materazzi, der Mourinho als „knallharten Typ, aber mit Herz“ charakterisiert: „Wir realisierten, dass er tatsächlich gehen würde. Dabei war er doch so etwas wie der Patriarch unserer Familie. In meinem Herzen hat Mourinho einen ganz besonderen Platz.“
In London erzählt man sich vergleichbare Geschichten. Als der Trainer 2007 beim FC Chelsea entlassen wurde, soll Didier Drogbar geweint haben wie ein kleines Kind. Natürlich gab es nicht jeden Tag Tränen, wie Michael Ballack, damals auch bei Chelsea unter Vertrag, einschränkt: „So viel haben wir jetzt nicht geweint. Aber er hatte immer ein besonders Verhältnis zu seinen Spielern. Er hat uns das Gefühl gegeben, ich bin bei euch und geh mit euch durch dick und dünn.“ Wie Söhne soll Mourinho seine Spieler behandeln. „Sein Bild in der Öffentlichkeit ist ja ein ganz anderes und er hat sicher ein großes Ego“, sagt Ballack, „doch wenn man ihn privat kennt, ist er ein sehr, sehr höflicher, umgänglicher Typ, ein netter Mensch.“
Einer, der auch dann lächelt, wenn er es gar nicht möchte.