Duisburg. . Es regnet, der Wind fegt die Blätter über die Bezirkssportanlage an der Warbruckerstraße, aber die Reserve von Union Hamborn lässt sich davon nicht beeindrucken. So wie an jedem Sonntag.

Der Sonntag ist schon gekommen. Sonst noch niemand.

An diesem Nachmittag empfängt die zweite Mannschaft von Union Hamborn die Reserve von Wacker Walsum. Kreisliga C, Fußball ganz unten. „Dafür lohnt es sich nicht, die Kasse aufzumachen“, sagt Bernd Sorgenit vom Fußball-Ausschuss des Klubs. Er zieht die Rollläden also erst gar nicht hoch.

Trainer Pierre Szterlicht sagt „Hallo“ und verschwindet Richtung Kabine. Er hat 30 Jahre lang selbst gespielt, jetzt kann er das nicht mehr. „Die Knie sind kaputt“, sagt er. Aber ohne Fußball will er auch nicht leben: „Gehört doch zum Sonntag dazu.“ Der Wind fegt ihm die Wörter aus dem Mund und treibt die Blätter über die Bezirkssportanlage an der Warbruckstraße.

Eisen-Gitter versperren die Aufgänge zur Tribüne. Sorgenit zieht den Reißverschluss seiner Jacke hoch. Er weiß nicht ganz genau, wann die Tribüne gebaut wurde. „1927“ schätzt er. Der frühere Glanz des Vereins. Union Hamborn hatte damals sogar einen Nationalspieler: Paul Zielinski. Der Außenläufer absolvierte in den 1930er-Jahren 15 Länderspiele für Deutschland.

Im Klubheim glänzen Pokale von früher in der Vitrine. An der Wand hängen die Wimpel von Hansa Rostock und Ingolstadt. Beide Zweitligisten haben auf dem Rasen von Union trainiert, bevor sie beim MSV Duisburg antreten mussten.

Union hat drei Plätze für 14 Mannschaften, nur ein Platz hat Flutlicht. In der Dunkelheit des Herbstes wird es eng, alle Teams müssen sich diesen Platz zum Training teilen.

Es riecht nach Profi

Zumal Platz Nummer drei auch noch völlig ausfällt. Die Steinbrocken der Schlacke bohren sich durch die Asche. Die Schiedsrichter pfeifen dort keine Spiele mehr an. Die Verletzungsgefahr ist zu hoch. Letztens hat Sorgenit noch einmal mit den Alten Herren auf der Schlacke gekickt. „Ist aber kaum zu verantworten“, so der 48-Jährige.

Neue Asche würde den Verein 5000 Euro kosten, 50 Tonnen müssten her. Die Fußballer haben ein Spendenkonto eingerichtet, die Volleyballerinnen haben schon 200 Euro eingezahlt. Fußball-Kreisliga ist ein mühsames Geschäft.

Vor drei Jahren ist der Kassierer auch noch mit 11 000 Euro durchgebrannt. Sorgenit kann es immer noch nicht fassen. Immer was anderes. Die Platzanlage wirkt auf die Vereinskasse, als hielte man einen Industriestaubsauger in eine Tüte mit Chips. Schwupp, leer.

Iscan Özcan kommt. Er ist 43 Jahre alt, der älteste Spieler. „Ich bin hier seit der D-Jugend“, ruft er im Vorbeigehen. Keine Zeit, spät dran. Er wird mit weißen Wollhandschuhen auflaufen. Es ist zu kalt.

Wenn es heftig regnet, staut sich das Wasser und schwemmt die Asche bis auf die Warbruckstraße. Die Straße färbt sich rot. Letztens hat ein Autofahrer das Nummernschild im roten See verloren.

An diesem Sonntag hat der Wind die Plätze getrocknet. Die Spieler der Reserve sind alle da. Sie dürfen sich in der Kabine unter der Tribüne umziehen. Sie heißt „neue“ Kabine, weil sie renoviert wurde. Vor 14 Jahren. Es riecht wie bei den Profis nach Massageöl. Vorne zieht sich der 19-jährige Julio Rondo um, weiter hinten gibt es noch einen Julio Rondo. Das ist Julio Rondo senior, der in den 1980er-Jahren aus Peru nach Deutschland kam. Er hat sich seinen Traum erfüllt: Einmal mit seinem Sohn in einer Mannschaft spielen.

Die Gäste von Wacker Walsum müssen in die alte Kabine. Im Boden der Dusche sind Löcher, die Wände sind feucht. Geschäftsführer Guido Winkels ist Chef im eigenen Handwerksbetrieb. „Wir haben dazu jede Menge Handwerker im Verein“, sagt er. „Wir würden gerne alles renovieren. Zwei Wochen Arbeit, und wir hätten eine schöne neue Kabine. Aber wir dürfen nicht.“

Bitte?

Winkels nickt, der 40-Jährige kann es nicht nachvollziehen. „Die Stadt ist Eigentümerin der Anlage und erlaubt keine Renovierungsarbeiten. Es könnte ja ein Rohr falsch angeschlossen werden, und dann gibt es keinen Versicherungsschutz.“ Bei der Stadt Duisburg bestätigen sie dieses Verfahren. Aber es gibt Einzelfallprüfungen, heißt es, und auf die hofft Union nun.

Draußen hat das Spiel begonnen. Die Gastgeber haben sich für den Rasenplatz entschieden. Die Jungs von Wacker haben dafür die falschen Schuhe eingepackt, sie rutschen wie auf Seife. Zehn Zuschauer sind da, es gibt Pils zum Fußball und Sprüche. Nur der Grill ist kaputt, keine Bratwurst. Als wieder mal ein Wacker-Spieler auf der Seife abfliegt, ruft einer der Männer mit dem Pils auf den Rasen: „Gut, dass wir den Platz gewässert haben.“ Alle lachen.

Dabei wäre das Wässern viel zu teuer, müsste alles Union bezahlen.

Wacker führt 1:0, die Gastgeber in Grün machen aus dem Fußball wirklich keine Doktorarbeit. Trotzdem drehen sie das Spiel bis zum Halbzeit-Pfiff: 4:1! In der Pause sitzen sie auf der Treppe vor der Kabine, Trainer Szterlicht steht vor ihnen: „Männer, am Anfang habt ihr gepennt. Aber jetzt: Weiter so!“

Sie machen weiter so und gewinnen 5:1! Das zählt, auch im Fußball ganz unten.

Und der nächste Sonntag kommt auch schon bald.