Köln. . Obwohl der Suizidversuch des Bundesliga-Schiedsrichters Babak Rafati mutmaßlich private Gründe hatte, ist die Debatte um den Leistungsdruck im Fußball neu entfacht. Psychologin Marion Sulprizio fordert ein Maßnahmepaket, um die Last aufzufangen.

Dass der Leistungsdruck im Profi-Fußball ein Problem ist, ist seit dem tragischen Suizid des Hannover 96-Spielers Robert Enke bekannt. Seit seinem Tod vor zwei Jahren werden der hohe Druck, Depressionen und - wie zuletzt bei Ralf Rangnick, dem ehemaligen Schalke-Trainer - das Phänomen des „burn out“ thematisiert. Durch den Selbstmordversuch Babak Rafatis, der laut polizeilicher Ermittlungen nicht mit dem Profi-Fußball im Zusammenhang steht, brachte nichtsdestotrotz erneut Rollen in die Debatte. Denn grundlegende Probleme im Fußball haben sich nicht gelöst.

„Unsere Gesellschaft ist eine Leistungsgesellschaft. Im Sport ebenso wie im wahren Leben. Fußballer stehen zudem ständig unter Beobachtung von Medien und auch Zuschauern im Stadion. Das erhöht den Druck.“, sagt Marion Sulprizio, Dipl.-Psychologin an der Sporthochschule Köln. Denn den Beteiligten drohen unmittelbar Konsequenzen ihres Verhaltens auf dem Platz: Spieler müssen beim nächsten Spiel auf die Ersatzbank und Trainer werden entlassen, so Sulprizio weiter.

Schiedsrichter unter besonderem Druck

Besonderer Druck lastet auf den Schiedsrichtern, die sekundenschnell Urteile fällen müssen: „Für die Schiedsrichter ist es nicht immer einfach. Sie werden häufig von den Spielern auf dem Platz bedrängt. Das ist wirklich eine Herausforderung, direkte Kritik nicht persönlich zu nehmen.“, erklärt Marion Sulprizio. Sie schlägt vor, für alle Beteiligten psychologische Angebote zu schaffen oder Fortbildungen, in denen die mentale Stärke geschult wird, anzubieten. Auch eine psychologische Betreuung für Schiedsrichter direkt nach einem Spiel hält Sulprizio für sinnnvoll.

Psychische Belastung ist nach wie vor ein Tabuthema

Das Thema Leistungsdruck und die daraus resultierende enorme psychische Belastung werde nach wie vor „ungerne nach Außen besprochen“. Deshalb sagt Dipl.-Psychologin Marion Sulprizio: „Wir müssen über das Thema auch in Vereinen und Verbänden informieren und sensibilisieren.“ Die Emotionen aus dem Sport zu nehmen, sei aber nicht möglich und auch nicht nötig. Vielmehr ist von allen Beteiligten ein kritisches Nachdenken über das eigene Verhalten gefordert, so die Sportpsychologin weiter.

Auch Babak Rafati, der seit 2005 Bundesligaspiele pfiff, wurde mehrfach öffentlich wegen seiner Entscheidungen kritisiert. Mit Beratungsangeboten, zum Beispiel der Robert-Enke-Stiftung, oder Weiterbildungen hat der DFB zusammen mit Fachleuten die ersten Schritte getan, um Schiedrichter, Spieler oder Trainer zu unterstützen. „Der Weg, den wir gehen, ist der Richtige. Aber wir stehen noch ganz am Anfang.“, meint Dipl.-Psychologin Sulprizio.