Kiew/Hamburg.. Im Interview äußert sich Bundestrainer Joachim Löw zu dem Experiment Dreierkette gegen die Ukraine. Im Spiel gegen die Niederlande am Dienstag setzt Löw wohl auf ein 4-4-2-System mit Gomez und Klose. Es soll helfen bei der EM flexibler und unberechenbarer zu sein.

Joachim Löw, nach dem turbulenten 3:3 in der Ukraine gab es reichlich Diskussionen um das neue System mit der Dreierabwehrkette. Wie bewerten Sie das Experiment?

Joachim Löw (Bundestrainer): 'Insgesamt war ich wirklich sehr zufrieden, auch wenn ich diese Meinung vielleicht exklusiv habe. Die Tore gegen uns hatten nichts mit der Dreierabwehrkette zu tun. Zwei der drei Treffer sind nach Eckbällen für uns gefallen, da waren alle Abwehrspieler vorne. Das dritte Tor war ein Schuss aus 30 Metern in den Winkel. Da haben wir andere Fehler in der Zuordnung gemacht, das darf uns natürlich nicht passieren. Hummels, Badstuber und Boateng haben das in vielen Situationen sehr gut gemacht. Fehler sind passiert, aber nicht in der Dreierkette.'

Dennoch hat Ihre Mannschaft nach einem 1:3-Rückstand noch unentschieden gespielt. Spricht das für den Charakter Ihres Teams?

Löw: Natürlich spricht es für die gute Moral unserer Mannschaft, dass wir das Spiel nach dem 1:3 noch umgebogen haben. Sicher haben wir Fehler gemacht, die zu Toren geführt haben. Das müssen wir abstellen. Dennoch habe ich eine klare Dominanz unserer Mannschaft gesehen. Ich wusste wirklich nicht, warum wir zur Halbzeit mit zwei Toren zurückgelegen haben. Nach der Pause haben wir aber enormen Druck aufgebaut.

Das Zauber-Duo Mesut Özil/Mario Götze kam auch nicht richtig zur Entfaltung. Wie haben Sie die Leistung der beiden gesehen?

Löw: Man hat auf dem Platz schon gemerkt, dass wir dank Özil und Götze unheimlich ballsicher waren. Dass wir die Chancen rausgespielt haben, hat gezeigt, dass die beiden ein absoluter Gewinn für uns sind. Und da beide derzeit stark belastet sind, habe ich sie dann rausgenommen. Beide haben absolut zufriedenstellend gespielt, auch wenn ich wegen den beiden sicher nicht mein System komplett ändern werde.

Können Sie sich vorstellen, auch gegen die Niederlande dieses System mit drei Abwehrspielern auszuprobieren?

Löw: Wir haben ein Hauptsystem, das über viele Monate auch sehr gut funktioniert hat. Aber wir wollen uns weiterentwickeln und bei der EM unberechenbar und flexibel sein. Vor einigen Wochen wollte ich 4-4-2 Spielen, aber durch die Verletzung von Miroslav Klose ist bei uns diese Idee gereift. Eine gute Mannschaft muss in der Lage sein, verschiedene Systeme zu spielen. Beim Spiel gegen Holland werden wir nicht mit Dreierkette spielen. Wir werden sehen, ob wir mit zwei Spitzen spielen können. Das hängt davon ab, ob Miroslav Klose spielen kann.

Wie haben Sie das Debüt von Ron-Robert Zieler gesehen, der nach drei Gegentoren in der ersten Halbzeit nach der Pause das Remis rettete?

Löw: 'Ron-Robert Zieler war nach den drei Gegentoren zur Halbzeit sehr enttäuscht, weil er keinen Ball gehalten hatte. Als wir dann in der zweiten Halbzeit alles nach vorne geworfen haben, hat er zwei Tore verhindert. Das hat er klasse gemacht. Deshalb war das absolut zufriedenstellend.'

Stärkster Feldspieler war Toni Kroos. Wie bewerten Sie seinen Auftritt in Kiew?

Löw: 'Toni Kroos war wirklich überragend, bei ihm sind alle Fäden zusammengelaufen. Er war stets anspielbar und hat die Mannschaft in der Offensive angetrieben.' (sid)