Natürlich gab es auch diesmal mitreißende Wettkämpfe zu sehen. Eine spektakuläre Flugshow mit dem Stab, erfrischende Außenseitersiege. Ober auch ein Sturzdrama, bei dem die hohe Favoritin über 1500 Meter auf der Strecke blieb. Und aus deutscher Sicht die traditionell starken Auftritte einer Wegwerf-Gesellschaft.

Aber in Erinnerung bleiben wird von den 13. Leichtathletik-Welttitelkämpfen im südkoreanischen Daegu vor allem ein Ereignis, das gar nicht stattfand. Weil der vermutete neuerliche Katapultlauf von Usain Bolt durch den Fehlstart des Jamaikaners, der ähnlich grandios wie seine bisherigen Siege war, schon im Keim erstickt wurde.

Für die – immer noch – olympische Kernsportart Leichtathletik ein wenig ermunterndes Zeichen. Ein Jahr vor London 2012 fehlen die Zugpferde, die eine Sportart über die Grenzen ihrer Betreiber hinaus interessant und damit zum Medienspektakel machen. Umso verwunderlicher, dass manche Funktionäre und Athleten ausgerechnet an Bolts Hang zur Selbstdarstellung herummäkeln und sich darüber mokieren, er stehle anderen die Show. Müssten sie ihm doch dankbar sein für seine vom Publikum akzeptierte Rolle als PR-Lokomotive einer ganzen Sportart.

Gerade die Leichathletik lebt allerdings nicht nur – wie vielleicht noch das Eiskunstlaufen oder Turnen – von großartigen Solisten. Sondern vom Duell Mann gegen Mann, Frau gegen Frau. Carl Lewis kontra Ben Johnson, Daley Thompson gegen Jürgen Hingsen, Edwin Moses wider Harald Schmid oder - um noch weiter zurückzugehen: Heide Rosendahl gegen Renate Stecher. Aus diesem Stoff werden die Dramen geschaffen, die den Tag überdauern.

Und heute? Dominieren auf den meisten Laufstrecken namenlose Schwarzafrikaner, die selbst Experten kaum noch auseinander halten können. Ist weit und breit kein Athlet mit der Strahlkraft eines Sergej Bubka mehr zu sehen. Steht allein die kroatische Hochsprung-Ikone Blanka Vlasic für das schöne Gesicht der Frauenleichtathletik (fragen Sie mal jemanden nach dem Namen ihrer Bezwingerin von Daegu). Selbst Amerika, sonst ein unerschöpflicher Quell immer neuer extrovertierter Ausnahmekönner, produziert keine Stars mehr mit Wiedererkennungswert. Duzende von Basketball-Größen sind weltweit bekannter als jeder WM-Champion von Südkorea.

Darüber tröstet auch der auffallende Rückgang der Doping-Nachrichten (der ja nichts mit der tatsächlichen Entwicklung auf dem Pharma-Markt des Sports zu tun hat) nicht hinweg: Bei dieser Weltmeisterschaft, die in Europa seltsam emotionslos ankam, sind keine neuen Sterne aufgegangen, die der Leichtathletik zu altem Glanz verhelfen könnten. Wenn nicht alles täuscht, dürfte in einem Jahr in London die mit Abstand höchste Aufmerksamkeit einem Schuss aus der Starterpistole widerfahren. Wird Usain Bolt wohl noch einmal ... ?