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Cadel Evans ist kein Freund schillernder Auftritte. Durchdesignte Pressekonferenzen zu geben, überlässt der australische Rad-Profi bei der diesjährigen Tour de France den Brüdern Fränk und Andy Schleck, über geplante Attacken soll der Spanier Alberto Contador sprechen. Der zierliche Evans (1,74 Meter, 58 Kilogramm) hockt sich lieber auf die Stufen des Teambusses, macht sich noch kleiner, als er ohnehin schon ist, und spricht mit leiser Stimme. So wollte sich der 34-Jährige am Dienstag auch nicht dafür feiern lassen, den Schlecks auf der nur mittelschweren 16. Tour-Etappe wertvolle Sekunden abgenommen zu haben.

Schon vor dem Coup sagte er: „Die Leute betrachten die Schleck-Brüder noch immer als Favoriten, das ist ein bisschen strange.“ Für ihn sei der Mann in Gelb, der Franzose Thomas Voeckler, der erste Konkurrent. Jetzt ist Voeckler ja auch der Einzige, der in der Gesamtwertung noch vor Evans liegt. 1 Minute und 18 Sekunden fehlen Evans noch.

Seine Karriere als Radfahrer hat der Australier auf dem Mountainbike begonnen, ehe er auf die Straße wechselte. Die bislang besten Tour-Jahre des Australiers waren 2007 und 2008 (Zweiter), sein insgesamt größter Erfolg ist der Titel bei der Straßen-WM 2009. Alles ohne Doping? Evans selbst ist noch nie positiv getestet worden. Doch er hatte Kontakt zu dem umstrittenen italienischen Arzt Michele Ferrari. Seine Erklärung: Er habe Trainingspläne bekommen. Nicht förderlich für sein Image ist auch seine Zeit bei den in Dopingskandale verwickelten Teams Mapei und Telekom.

Doch Evans guckt nur in die Zukunft. Vier Etappen liegen bei dieser Tour noch vor den Radprofis, dann wird der Sieger gekürt. Wer das sein könnte, ist so offen wie lange nicht mehr in der letzten Woche einer Tour de France. Das erwartete und in den letzten Jahren übliche Zwei-Mann-Spektakel ist bislang ausgeblieben. Andy Schleck und Alberto Contador schienen dafür prädestiniert, doch nun tummeln sich an der Spitze der Gesamtwertung noch mindestens fünf weitere Fahrer, die sich durchaus Hoffnungen auf den ultimativen Triumph am Sonntag in Paris machen dürfen.

Die Souveränität der Schlecks hat am Dienstag arg gelitten. Ob das alles halb so schlimm war, wie sie behaupten, wird sich am Donnerstag und Freitag zeigen, wenn die schweren Bergankünfte auf dem Galibier und in Alpe d’Huez anstehen. Als Mann spektakulärer Attacken gilt Cadel Evans nicht. Einfach nur mitzuhalten, reichte ihm aber wohl schon. Denn am Samstag folgt noch ein Rennen gegen die Uhr – und Evans gilt als stärkster Zeitfahrer unter den Favoriten.