Shanghai. . In Deutschland sind die Turmspringer Patrick Hausding und Sascha Klein nur Experten bekannt. Ab Samstag dürfen sich Klein und Hausding als Stars fühlen. Hunderte Millionen werden ihre Auftritte bei der Schwimm-WM in Shanghai am Fernsehen verfolgen.
Sascha Klein ist siebenfacher Europameister und hat 2008 mit seinem Partner Patrick Hausding die Silbermedaille bei den Olympischen Sommerspielen in Peking im Synchron-Wettbewerb gewonnen. Der 25-Jährige zählt zu den besten Turmspringern der Welt. Doch selbst wenn der Eschweiler noch mehr Medaillen gewonnen hätte, würde er wohl weiterhin völlig unerkannt durch jede Fußgängerzone dieser Republik schlendern können. Ab Samstag dürfen sich Klein und Hausding als Stars fühlen. Es ist ein Promi-Leben mit sehr kurzem Haltbarkeitsdatum. Hunderte Millionen werden ihre Auftritte bei der Schwimm-WM in Shanghai am Fernsehen verfolgen, denn Wasserspringen ist in China eine ganz große Publikums-Nummer, die fast so viele Fans in ihren Bann zieht wie Tischtennis.
In Deutschland fristet die Sportart dagegen ein Nischendasein. Wenn die Springer ihre Salti und Schrauben in die Luft zaubern und dann fast ohne Spritzer in das Wasser eintauchen, bestaunt das bei uns neben den engsten Freunden und Verwandten nur eine handverlesene Zahl von Fachleuten. Wer in China seinen Platz auf der Wohnzimmercouch mit einem Plastiksitz im WM-Stadion tauschen wollte, musste sich dagegen frühzeitig für ein Ticket anstellen.
Für Klein war Peking "der Wahnsinn"
„In China sind die Wassersprung-Wettbewerbe immer ausverkauft“, sagt Lutz Buschkow, der Leistungssport-Direktor des Deutschen Schwimm-Verbandes, „die Wettbewerbe vom Turm sind besonders populär.“ Und so werden Sascha Klein und Patrick Hausding Autogramm um Autogramm schreiben müssen. Wie bekannt er in China ist, bekam Klein 2008 in Peking zu spüren. Das sei der Wahnsinn gewesen, sagt Klein. Schon bei der Ankunft am Flughafen habe er unzählige Interviews geben müssen und sei von Dutzenden Fotografen abgelichtet worden.
Was für Klein und Hausding, der bei der EM vor einem Jahr in Budapest zwei Gold- und drei Silbermedaillen holte, völlig ungewohnt ist, kennt Qiu Bo seit Jahren. Zwar ist er gerade mal 18 Jahre alt geworden, doch in China ist er bereits ein Superstar. Was ihm vor zwei Jahren bei der WM in Rom mit 16 im Einzel vom Zehn-Meter-Turm noch nicht gelungen war, soll er, nein, muss er in Shanghai verwirklichen. Für den Staat, für Tausende Zuschauer, für Millionen Fans.
Daley holte mit 15 Jahren Gold
Doch Tom Daley will ein weiteres Mal den Partyschreck spielen. Der Engländer ist im Gegensatz zu Klein und Hausding nicht nur in China, sondern auch in seiner Heimat populär. Nur Fußballer wie Wayne Rooney genießen in England eine noch größere Aufmerksamkeit als das Wunderkind des Turmspringens. Mit 14 Jahren und zwei Monaten war er 2008 in Peking dem immensen Erwartungsdruck noch nicht gewachsen und wurde nur Siebter. Vor zwei Jahren, mit 15, schockte er die chinesischen Topfavoriten und holte Gold.
Daley freut sich schon auf die WM und die frenetischen Fans in Shanghai. „Sie nennen mich Baby Daley, weil sie mich noch von Olympia in Peking kennen“, sagt der Schüler aus Plymouth, „aber sie werden sich wundern, ich bin nicht mehr 1,56 Meter klein. Ich bin 19 Zentimeter gewachsen.“
Aber noch genauso ehrgeizig. Daley will in Shanghai gewinnen. Am liebsten schon am Sonntag im Synchron-Wettbewerb mit seinem Partner Peter Waterfield. Der Kampf mit den Chinesen und dem deutschen Paar Hausding/Klein wird der erste große Höhepunkt der WM. Die Springer müssen nicht nur wasser-, sondern auch hitzefest sein, denn die Wettbewerbe finden draußen statt. Sportdirektor Buschkow: „Nach vier Stunden bei über 35 Grad in der Sonne ist man weichgekocht wie eine alte Pflaume.“ Medaillen eignen sich bestens zum Kühlen.