Wolfsburg. .
Ein trüber Morgen im mausgrauen Wolfsburg. Nur eine Handvoll Journalisten haben sich im Porschestadion aufgestellt, um das Training der US-Fußballerinnen zu besichtigen. Es ist kühl und es ist nass, aber die drei Torfrauen und ihr Torwarttrainer kommen trotzdem mit bester Laune auf den Rasen. Denn Hope Solo, die unumstrittene Nummer eins der USA, übt sich feixend im Radschlagen und Handstand. Als ihre Kolleginnen Nicole Barnhart und Jilian Loyden mit einer Kopie kläglich scheitern, klopfen sich alle auf die Schenkel. Und als Paul Rogers, 33, offiziell als Goalkeeper-Coach gelistet, die ersten Bälle schießt, wird schnell klar: Hope Solo, eine Ikone der nordamerikanischen Profiliga WPS, macht in jeder Hinsicht die beste Figur von allen.
Stark entwicklungsfähig
Nicht nur der deutsche Torwarttrainer Michael Fuchs sieht Hope Solo als eine stilprägende Größe an – auf einer ausgewiesenen Problemposition im weiblichen Segment. „International ist das Torwartspiel noch stark entwicklungsfähig“, sagt Fuchs. Es sei ein langer Weg, auf dieser Position ein hohes Niveau zu erreichen. Wohl wahr. Nirgendwo sonst steckt die Entwicklung des Frauenfußballs noch so in den Kinderschuhen wie im Refugium unter der Latte. Folge: Patzer und Peinlichkeiten.
Die Engländerin Karen Bardsley übt sich im sinnlosen Freiflug, die Kolumbianerin Sandra Sepulveda patscht sich die Kugel hinter die Linie, Miriam aus Äquatorialguinea wirkt unbeholfen wie eine Anfängerin. Die Norwegerin Ingrid Hjelmseth oder die Brasilianerin Andreia schaffen es bei direkt in den Torraum geschlagenen Flanken nicht, den Ball zu fangen. Offenkundig ist, dass grundsätzliche Techniken nicht beherrscht werden. Ein altes Problem. Dass bei einer Frauen-WM so viele kuriose Tore fallen, liegt auch daran, dass das schwache Geschlecht vor dem Netz große Schwächen offenbart. Die Trainerinnen und Trainer des Turniers deuten den Handlungsbedarf unterschiedlich. So berichtet der Kolumbianer Ricardo Rozo, in patriarchalisch geprägten Regionen wie eben Südamerika seien Fußballerinnen nur schwer für den Sonderjob zu begeistern. Er ist froh, dass – die 1,65 Meter kleine – Sandra Sepulveda sich überhaupt so für ihre Rolle begeistert; sie selbst sagt, sie habe sich schon als kleines Kind gerne in den Schmutz geworfen. Damit stellt sie eine Ausnahme dar. Eine anerkannte Fußballlehrerin wie die schwedische US-Trainerin Pia Sundhage empfiehlt, Spezialisten heranzuziehen, „die noch gezielter mit den Torhüterinnen arbeiten“.
So wie Michael Fuchs mit Nadine Angerer: Deutschlands Torfrau ist vor vier Jahren mit weißer Weste durch eine WM gekommen. „Auch wir in Deutschland haben bei den Torhütern lange geschlafen“, sagt die 32-Jährige, „und jetzt ist fast überall noch viel Luft nach oben.“ Nur bei der Deutschen und der Amerikanerin gilt das nicht. „Ich will etwas für einen besseren Ruf der Torhüterinnen tun“, erklärt die 1,75 Meter große Hope Solo und ergänzt: „Nadine und ich haben einen unterschiedlichen Stil.“ Sie meint, dass sie noch mehr mit den Füßen mitspiele; dass sie mehr antizipiere. „Als Torwart will man, dass es leicht aussieht – dabei ist es immer wieder harte Arbeit.“
Wie zum Beleg haben die US-Torhüterinnen an diesem Tag eine halbe Stunde vor den Feldspielerinnen angefangen. Was Hope Solo antreibt? „Ich will Weltmeisterin werden. Und ich will die Beste sein.“