Essen. .
Nach einer Stunde im Regen geben die Frisuren rundherum nach und nach auf. Alles, was blond ist, sieht längst aus wie ein Strohballen, der zulange im Wasser gelegen hat. Nur Otto Rehhagel ist frisurentechnisch unbesiegbar. Der Regen könnte stundenlang prasseln, den Haaren des 72-jährigen Fußballtrainers kann er einfach nichts anhaben. Ein Wunder, vielleicht gibt es irgendwo ein Drei-Otto-Taft. Wer weiß das schon.
Als Rehhagel zuletzt auf einer Trainerbank saß, war WM-Zeit in Südafrika: Griechenland gegen Argentinien. Rehhagels Griechen verloren 0:2, fuhren nach Hause, und Rehhagel wurde vom Nationaltrainer zum Privatier in seiner Heimatstadt Essen.
An diesem Montagnachmittag kehrt er allerdings auf den Fußballplatz zurück. Es ist ein Ascheplatz, den der Regen immer weiter durchweicht. Beim Essener Kreisligisten Fortuna Bredeney gibt es keine Tribüne, einfach Pech, dass das herrliche Frühlingswetter nach drei Wochen ausgerechnet an diesem Tag gekippt ist.
„Das konnten wir nicht absehen“, sagt Manuel Neukirchner. Er hat organisiert, dass Rehhagel an diesem Nachmittag ein Training der E-Jugend leitet.
Die Aktion ist ein Überbleibsel seiner Zeit als Geschäftsführer der Sepp-Herberger-Stiftung, die sich auch um die Förderung des Fußball-Nachwuchses kümmert. Neukirchner ist zwar mittlerweile Geschäftsführer des DFB-Fußball-Museums, das in Dortmund entsteht, aber das Rehhagel-Projekt lag ihm noch am Herzen. Er hat früher selbst bei Fortuna Bredeney gespielt. Sein Sohn spielt in der E-Jugend. „Rehhagel hätte aber auch zu jedem anderen Verein kommen können“, sagt er.
Aber er kommt zur Fortuna nach Bredeney und fährt in diesem Moment vor. Rehhagel steuert den schwarzen Mercedes selbst, am Zaun hängt ein Schild: „Fahrzeuge dürfen nicht auf die Anlage“. Auch Rehhagel darf nicht im Auto auf den Platz, er setzt zurück, parkt draußen und erscheint im schwarz-weißen Trainingsanzug. Der 72-Jährige hat noch nie auf Zeit gespielt, und er greift auch jetzt sofort an. Auf dem Weg in die Kabine streichelt er einen Hund, dann klappt die Tür zu, eine Minute später klappt sie wieder auf: Die E-Jugend läuft in gelb-blauen Trikots auf den Platz.
Der Kaffee ist fertig
Rehhagel schreitet hinterher. „Mit der Aktion wollen wir den 26.000 freiwilligen Helfern im DFB-Bereich zeigen, dass sich auch die bekannten Leute für die Basis interessieren“, sagt Neukirchner. „Oliver Kahn macht auch bei solchen Aktionen mit, er engagiert sich vor allem für Strafgefangene, die Fußball spielen möchten“, Dann zückt er die Kamera und filmt.
Rehhagel spricht mit den Kindern. David rennt weg, er muss pinkeln, während Rehhagel den Wert des Kopfballspiels erklärt. „Ich war ein guter Kopfballspieler. Aber der Horst Hrubesch war natürlich viel besser.“ Pause. „Aber den kennt ihr ja gar nicht mehr.“
Im Baucontainer, in dem es etwas zu trinken gibt, ist der Kaffee mittlerweile durchgelaufen. Außerdem schützt dort ein kleines Dach. Der Regen prasselt weiter, und Rehhagel sagt die Sätze, die man von ihm kennt: „Die Jungs sind wie Fohlen, noch ganz unfertig und wild in ihren Bewegungen.“ Dann sind alle nass bis auf die Knochen, es ist Feierabend, und die Frisur von Otto Rehhagel sitzt immer noch perfekt.