Dortmund. Es sind gerade sechs Jahre vergangen, seit Borussia Dortmund vor der Insolvenz stand. Nun hat der Traditionsklub seine erfolgreiche Sanierungsarbeit mit dem Meistertitel belohnt. Die Westfalen feierten am Samstag den Start in eine rosige Zukunft.
Bei Prosecco und Pasta folgte die etwas leisere Meisterfeier im internen Kreis. Beim Edel-Italiener Piazza Navona in der Dortmunder Innenstadt feierten die Borussen mit ihren Frauen und Freunden bis in die Morgenstunden ihren großen Triumph und ließen eine märchenhafte Saison Revue passieren. "Das Gefühl ist extrem süß. Ich muss aufpassen, dass mir nicht die Tränen in die Augen schießen", sagte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke.
Mit Stolz erlebte Watzke am Samstagnachmittag auf dem Rasen die ohrenbetäubende Meisterfete der Fans, die in der Nacht zum Sonntag ganz Dortmund in einen Ausnahmezustand versetzte. Für den BVB-Boss ein besonders emotionaler Augenblick: "Ich muss in diesem Moment auch an den März 2005 denken."
Und zwar an jeden März vor sechs Jahren, als den BVB seine bislang erfolgreichste Ära mit drei Meisterschaften, dem Gewinn von Champions League und Weltpokal zusammen mit dem Ausbau des Stadions auf ein Fassungsvermögen von 80.720 Zuschauer fast ruiniert hätte. "Der Patient lag bereits im Vorraum der Pathologie", als es am 14. März 2005 am Düsseldorfer Flughafen zum "Tag der Wahrheit" kam, Wohl und Wehe des mit 122 Millionen Euro verschuldeten Klubs hing vom Votum der Gesellschafter eines Immobilienfonds ab. Doch Watzke und Präsident Reinhard Rauball leisteten Überzeugungsarbeit.
Es war vermutlich der wichtigste Sieg in der 102-Jährigen Geschichte der Borussia. Sechs Jahre später ist der BVB durch harte Sanierungsarbeit und dem nötigen Glück des Tüchtigen aus der Pathologie aufs Podest zurückgekehrt - und das in einer Art und Weise, die in der Historie der Bundesliga wie ein modernes Märchen anmutet.
Die Liga zieht den Hut vor dem jüngsten deutschen Meister aller Zeiten. Im Schnitt rund 22 Jahre betrug das Alter der Mannschaft, die in dieser Saison bereits 72 Punkte erkämpfte und damit einen Vereinsrekord aufstellte. Teilweise standen acht Akteure auf dem Platz, die 22 Jahre und jünger waren. Nur Torhüter Roman Weidenfeller (30), Patrick Owomoyela (31) und Torjäger Lucas Barrios (26, bisher 14 Saisontore) hoben den Altersschnitt. Der Jüngste war das Ausnahmetalent Mario Götze (18).
"Vollgas-Veranstaltungen" hatte Glücksfall Klopp, den Sportdirektor Michael Zorc als "wichtigsten Transfer" bezeichnete, den Fans einst versprochen. Wie seine Youngster mit ihrem Power-Fußball auf Basis einer exzellenten Defensive, die sich mit bisher nur 19 Gegentoren auf dem Weg zu einem Bundesliga-Rekord befindet, bislang durch die Stadien fegten, machte Klopp selbst zum größten Fan seiner leidenschaftlich auftrumpfenden Mannschaft. "Das ist einfach geiler Fußball", schwärmte der 43-Jährige, der seiner Boy-Group in beeindruckender Manier seine Philosophie von der modernen "Offensiv-Verteidigung" vermittelte.
22 Siege bis zum 32. Spieltag, elf Auswärtserfolge (Einstellung des Bundesliga-Rekordes) und bislang nur vier Niederlagen (dreimal nur 0:1) sowie 64 Treffer und 14 Zu-Null-Spiele spiegeln eine außergewöhnliche Saison wider. Seit dem zehnten Spieltag steht der BVB auf Platz eins, siegte unter anderem, souverän in Leverkusen (3: 1) und ließ Titelverteidiger Bayern München beim 3:1 in dessen Stadion nicht den Hauch einer Chance. Schon nach der am 15. Spieltag feststehenden Herbstmeisterschaft glaubte "Kaiser" Franz Beckenbauer, "Dortmund kann nur noch eine Epidemie stoppen".
Aber weder Lob, noch kurze Schwächeperioden und verletzungsbedingte Rückschläge konnte die jungen Himmelsstürmer irritieren. So musste die Borussia seit der Winterpause auf seinen Shootingstar Shinji Kagawa (Mittelfußbruch beim Asien-Cup) verzichten und die letzten vier Begegnungen auch den wohl besten Bundesliga-Akteur der Saison, Nuri Sahin (Innenbandanriss im Knie), ersetzen. Ob der türkische Nationalspieler auch in der nächsten Spielzeit beim BVB oder für Real Madrid spielen wird, steht noch in den Sternen.
Fest steht jedoch: Die Qualifikation für die Champions League beschert dem börsennotierten BVB mit 20 Millionen Garantie-Einnahme allein aus den Gruppenspielen Planungssicherheit, Schuldenabbau und die Aussicht auf rosige Zeiten. Tage, wie jene im März 2005, dürften für Watzke und Rauball endgültig Vergangenheit sein. (sid)