Essen.. Ein Kurzzeit-Engagement als Nachfolger von Felix Magath wäre sowohl für Otto Rehhagel als auch für Schalke riskant . Nur einer kann die aktuellen Entwicklungen auf Schalke relativ entspannt verfolgen. Eine Analyse
Das Leben verläuft mitunter in seltsamen Kurven, manchmal bewegt es sich sogar im Kreis. Für Otto Rehhagels Trainerlaufbahn könnte sich dieser schon heute schließen, wenn er auf Schalke der als sicher geltenden Aufforderung von Clemens Tönnies folgt „Otto, übernehmen Sie“.
Als „Feuerwehrmann“ der Branche gestartet, stand Rehhagel später wie kein zweiter deutscher Coach für Nachhaltigkeit – in 14 Jahren beim SV Werder Bremen ebenso wie in den neun Jahren als griechischer Nationalcoach. Nun lockt also noch einmal die Rückkehr zu den Wurzeln, wenn er die von Felix Magath gelegten Brände innerhalb der Schalker Mannschaft löschen soll. Unumstritten war Otto Rehhagel nie. Obwohl ihn gerade sein sensationeller EM-Triumph mit Griechenland und der ebenso beispiellose Coup mit dem 1. FC Kaiserslautern, den er als Bundesliga-Aufsteiger zum Titel führte, weit über andere Größen der Branche stellen. Für den Fußball der von ihm betreuten Mannschaften allerdings ist er weniger geliebt worden.
Schon in seinen jüngeren Jahren war Rehhagel das Etikett des „altmodischen“ Trainers aufgepappt worden, dessen Erfolge eher zähneknirschend akzeptiert wurden. Da konnte es kaum wundern, dass prompt von einem „Armutszeugnis“ für Schalke die Rede war, als die ersten Spekulationen um den inzwischen 72-Jährigen als Nothelfer auftauchten. Auf der anderen Seite warfen selbst Rehhagel-Bewunderer die Frage auf, ob sich der Altmeister so etwas noch antun sollte.
Einwände, die außer Acht lassen, dass erstens Schalke nach einer Trennung von Magath bis zum Saisonende wenig Alternativen hat und zweitens niemand besser als Rehhagel selbst weiß, was er sich zumuten kann. Dass der fit gebliebene Siebziger immer noch „brennt“, ist ebenso unstrittig wie seine fachliche Kompetenz und enorme Erfahrung. Und, was auf Schalke derzeit noch mehr zählen dürfte: Über seinen Umgang mit Spielern hat man – anders als bei Magath – von den Betroffenen selten etwas Negatives gehört.
Gleichwohl birgt ein Kurz-Engagement, für das der Essener – wie ein führender Schalke-Funktionär durchblicken ließ – täglich zu Fuß nach Schalke laufen würde, für beide Seiten Risiken. Sollte Königsblau nicht mindestens den Pokal holen, würde Clemens Tönnies die Magath-Personalie nachträglich um die Ohren fliegen. Und auch Rehhagel stünde beschädigt da, auch wenn es sich angesichts seiner Erfolgsvita eher um eine Petitesse handeln würde.
Für jemanden wie Ralf Rangnick, der als Favorit für den Schalker Trainerjob in der nächsten Saison gilt, ist die Situation besonders kompliziert. Übernimmt er den Job sofort, hat er weniger zu gewinnen als zu verlieren. Eine Pokalpleite wäre ein fataler Fehlstart, ein Pokalsieg würde vor allem seinem Vorgänger zugeschrieben. Andererseits wären Erfolge des Übergangstrainers auch nicht gut für ihn.
Nur einer kann die Entwicklung deshalb vergleichsweise gelassen verfolgen, so merkwürdig dies auch klingen mag. Weil Clemens Tönnies zu lange gezögert hat, hat Felix Magath am Ende aus sportlicher Sicht am wenigsten zu verlieren. Vergeigt Schalke es im Pokal und fliegt obendrein sang- und klanglos im Viertelfinale der Champions League raus, wird es heißen: Mit Magath wäre das nicht passiert. Stemmt Otto Rehhagel (oder wer auch immer) in Berlin den DFB-Pokal in die Höhe, wird es heißen: der Pott gehört eigentlich Magath.
Man kann es drehen und wenden wie man will: Für Schalke bleibt das Ganze ein Teufelskreis.