Gelsenkirchen. .
Am Morgen danach hätte sich die Welt weiter drehen sollen. Immer weiter, immer schneller um Julian Draxler, das Juwel des FC Schalke 04. Die Kameras und Mikrofone standen beim Training zumindest bereit.
Aber Julian Draxler wollte nicht mehr reden. Der 17-Jährige, hatte ja am Abend zuvor geredet, ach was, er hatte gesprudelt vor lauter überschäumendem Glück hervorgerufen durch einen einzigen Torschuss in der 119. Minute. So lange hatten sich Schalke und der 1. FC Nürnberg im DFB-Pokal-Viertelfinale bekämpft, ohne der Partie auf der einen oder der anderen Seite die entscheidende Wendung geben zu können.
Dazu brauchte es Draxler, einen netten, milchgesichtigen Jungen, der aussieht, als wäre er im Landschulheim eine echte Verstärkung beim Völkerball, aber doch keiner, der im professionellen Fußball den Unterschied macht. Drei Minuten zuvor eingewechselt hämmerte er den Ball aus 22 Metern mit dem linken Fuß - seinem schwächeren - ins Tor.
Und dann redete er. Darüber, dass er von einem solchen Tor „immer geträumt“ habe, dass es im Moment unmöglich sei, „das Lächeln aus dem Gesicht zu bekommen und dass er „ein paar Tage brauchen“ werde, um das alles zu verstehen, zu begreifen.
Schließlich wäre es weit untertrieben, seinen Aufstieg als kometenhaft zu bezeichnen. Als 2010 endete, war Julian Draxler einer von vielen A-Jugendlichen, nun ist der erste Monat des neuen Jahres noch nicht einmal vorbei und plötzlich ist er ein Star, ein Held. Sein Leben ist ein vollkommen anderes geworden.
Auf Einladung von Trainer Felix Magath fuhr er mit den Profis ins Trainingslager nach Belek, wurde in zwei von zwei Rückrundenspielen eingesetzt, erhielt einen Profivertrag bis 2014 und schmiss nun jüngst auf Anraten Magaths die Schule. „Ihn selbst musste ich nicht groß überreden“, sagt Magath, „aber seine Eltern haben sich mit der Entscheidung schwer getan. Sie hätten es gerne gehabt, wenn er noch das Abitur macht.“
Magath hält das für überflüssig. Zu augenscheinlich sind Draxlers Qualitäten. Filigran geht er mit dem Ball um, löst schwierigste Aufgaben mit großer Ruhe. Als Achtjähriger kam er zum FC Schalke, seither durchlief er alle Jugendmannschaften, nun ist er der Hoffnungsträger für das königsblaue Morgen.
Anfälle des Schwindels hält Magath für ausgeschlossen: „Julian ist einer, der einen klaren Kopf hat und sich überhaupt nicht verrückt machen lässt. Wenn alles normal läuft, braucht er Mitte des 21. Jahrhunderts kein Abitur mehr.“