Bundestrainer Heiner Brand war ratlos, Kapitän Pascal Hens sprachlos, und Regisseur Michael Kraus fassungslos: Bei den deutschen Handballern hat nach dem kollektiven WM-Aussetzer von Jönköping das große Zittern um die Olympischen Spiele 2012 begonnen: "Die Einstellung hat von hinten bis vorne nicht gestimmt. So funktioniert das nicht", sagte Kraus nach der bitteren 25:27 (12:10)-Niederlage gegen den EM-14. Ungarn.

Im abschließenden Hauptrundenspiel am Dienstag gegen Norwegen (16.15 Uhr/live im ZDF) muss die deutsche Mannschaft gewinnen, um ihre Chance auf die Teilnahme an den Sommerspielen in nächsten Jahr in London zu wahren. Mindestens der siebte WM-Platz muss erreicht werden, um am olympischen Qualifikationsturnier im April 2012 teilnehmen zu können.

DHB-Team verpasst Spiel um Rang fünf

Das Spiel um Rang fünf hat die Brand-Sieben durch die erste Niederlage gegen Ungarn seit fünf Jahren bereits verpasst. "Wir hatten alles in der eigenen Hand und verspielen es wieder", monierte der starke Torhüter Johannes Bitter, der als einziger überzeugte.

Vor 2500 Zuschauern in der Kinnarps Arena konnten auch Lars Kaufmann (5/FA Göppingen), Holger Glandorf (4/TBV Lemgo) und Michael Kraus (4/2/HSV Hamburg) als beste deutsche Werfer die 15. Niederlage im 54. Duell mit den Magyaren nicht verhindern. "Es fehlte die Frische. Im Angriff war keine Bewegung, da waren viele Zufallsprodukte dabei. Wir hatten Aussetzer, es schmerzt", sagte Brand, während Linksaußen Dominik Klein feststellte: "Wir hatten keinen klaren Kopf."

Zwei Tage nach dem überzeugenden Sieg gegen den Olympiazweiten Island (27:24) fand die DHB-Mannschaft über weite Strecken kein Mittel gegen die robuste 6:0-Deckung der Ungarn. Besonders Hens und Kraus wirkten im Rückraum ideenlos und konnten dem deutschen Spiel kaum Impulse geben. Zudem leistete sich der Favorit viele technische Fehler und vergab glasklare Chancen en masse.

Bitter zeigt starke Leistung

Zum Glück zeigte der Hamburger Keeper Bitter, der gemäß dem Brandschen Rotationsprinzip wieder den Vorzug gegenüber Silvio Heinevetter erhielt, erneut eine starke Leistung. Allein in der ersten Hälfte glänzte der 2,04-m-Schlaks Bitter mit zehn Paraden (davon ein Siebenmeter).

Nach einem schnellen 1:4-Rückstand (7.) und sechs Fehlwürfen in den ersten acht Minuten nahm Brand, der ungewohnt viel wechselte, eine frühe Auszeit. In der Folge nutzte besonders der für Hens im linken Rückraum eingewechselte Lars Kaufmann seine Freiheiten und brachte die deutsche Equipe mit 8:5 (18.) in Führung.

Doch der frühere Gummersbacher Nandor Fazekas im ungarischen Tor kaufte dem Weltmeister von 2007 auch nach dem Wechsel immer wieder den Schneid ab. Die vom früheren Lemgoer Bundesligacoach Lajos Mocsai trainierten Magyaren nutzten ihrerseits ihre Chancen und führten Mitte der zweiten Halbzeit mit 19:17.

Ungarn nervenstark

In der entscheidenden Phase versuchte vor allen Dingen Mittelmann Kraus Verantwortung zu übernehmen, doch er scheiterte zweimal. Nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich (19:19/52.) erwiesen sich die Ungarn in der hektischen Schlussphase als nervenstärkeres Team und stellte durch das 26:24 eine Minute vor Schluss die Weichen auf Sieg. "Ich kann mir nicht erklären, was wir da in der zweiten Halbzeit abgeliefert haben. Vorne waren wir zu ineffektiv", sagte Bitter.

Bei den drei olympischen Qualifikationsturnieren im April nächsten Jahres treten zwölf Teams an, die um insgesamt sechs freie Plätze für London kämpfen. Der WM-Zweite, -Dritte und -Vierte fungieren dabei als Gastgeber. Sollte die Turnierteilnahme verpasst werden, gibt es nur noch eine Möglichkeit, sich den olympischen Traum zu erfüllen: Der Titelgewinn bei der EM 2012 in Serbien.

Positive Bilanz gegen Norwegen

Gegen den EM-Siebten Norwegen hat die DHB-Auswahl eine klar positive Bilanz (32 Siege/9 Niederlagen/4 Unentschieden). Bei der WM 2009 hatte die Brand-Sieben allerdings das Duell mit den Skandinaviern 24:25 verloren. Neben den Deutschen, die in der Vorrunde gegen Titelverteidiger Frankreich (23:30) und den mittlerweile für die Hauptrunde qualifizierten Olympiadritten Spanien (24:26) verloren hatten, waren auch die Norweger punktlos in die zweite Turnierphase gestartet.

In der zweiten Hauptrundengruppe hatten am Sonntag bereits Gastgeber Schweden und Ex-Europameister Dänemark das Ticket für die Vorschlussrunde gelöst.