Kristianstad. Die deutschen Handballer hatten sich die WM ganz anders vorgestellt. Zwar gewann die Truppe von Trainer Heiner Brand das letzte WM-Gruppenspiel gegen Tunesien mit 36:26, aber fällt die Bilanz der Vorrunde ernüchternd aus.
Die deutschen Handballer hatten sich die WM ganz anders vorgestellt. Zwar gewann die Truppe von Trainer Heiner Brand das letzte WM-Gruppenspiel gegen Tunesien mit 36:26, aber fällt die Bilanz der Vorrunde ernüchternd aus. Vor allem zwei Routiniers enttäuschen.
Noch bevor das letzte Gruppenspiel gespielt war, konnte die Bilanz der deutschen Handballer für die Vorrunde der WM in Schweden gezogen werden. Sie fällt ernüchternd aus. Daran kann auch der 36:26 (15:12)-Pflichtsieg über die zweitklassigen Tunesier nichts Entscheidendes ändern. Hängen bleiben in der Erinnerung ein verschenkter Sieg beim 24:26 gegen Spanien und vor allem das 23:30-Debakel gegen Frankreich.
Dort sind Gegensätze innerhalb des deutschen Teams aufgebrochen, die sogar die Frage aufwerfen: Ist diese Mannschaft in dieser Formation zukunftsfähig? Kurzfristig geht’s in der Hauptrunde der WM, in der ab Samstag in Jönköping der Olympiazweite Island sowie Ungarn und Norwegen auf den Ex-Weltmeister warten, um Schadensbegrenzung: Minimalziel ist jetzt der siebte WM-Rang, der zur Teilnahme an einem der drei Olympia-Qualifikationsturniere erforderlich ist.
Langfristig geht’s um mehr. Um die Zukunft einiger Spieler, um das Ansehen der Nationalmannschaft in der Öffentlichkeit. Und auch über die Zukunft von Bundestrainer Heiner Brand wurde schon gesprochen. „Für mich ist Heiner unantastbar“, sagte dazu Teamkapitän Pascal Hens. Brand trat gestern Abend dem Eindruck wachsender Frustration ausdrücklich entgegen. „Was ich heute von meiner Mannschaft gesehen habe, das hat mir sehr gefallen.“
Sein Vertrag mit dem DHB läuft noch bis zum 31. Januar 2013. Danach, das hat der Gummersbacher stets betont, ist für ihn der Bart ab. Aber hat die handballerische Blamage gegen die Franzosen diesen Zeitplan nicht in Frage gestellt?
Kaum vorstellbar zum Beispiel, dass Brand noch lange große Freude an einer weiteren Zusammenarbeit mit Michael Kraus haben kann. Der Spielmacher vom HSV Hamburg war in Schweden bisher zwar nur einer von etlichen Problemfällen, aber er ist derjenige, der den Trainer am meisten Nerven kostet.
Mit „Mimi“ hat Brand schon so ziemlich alles versucht: Er hat ihn aus der Mannschaft geworfen (nach der EM 2008 in Norwegen), er hat ihn zurückgeholt (vor Olympia 2008), er hat ihn zum Kapitän gemacht (vor der EM 2010 in Österreich) und er hat ihn wieder abgesetzt (vor der WM 2011 in Schweden). Doch auch diesmal hat Kraus nach glanzvollen Test-Spielen eine bislang weitgehend enttäuschende WM gespielt. Seitdem er als große Entdeckung der Heim-WM 2007 in der Verantwortung und im Blickpunkt steht, ist ihm nie wieder ein ähnlich überzeugendes Turnier gelungen. Ganz im Gegenteil.
„Ja, in der ersten Halbzeit habe ich drei Hundertprozentige verworfen“, äußerte er nach dem Frankreich-Spiel wie üblich selbstkritische Töne. Aber wenn Michael Kraus Selbstkritik übt, wirkt dies inzwischen wie ein hohles Ritual - ohne Folgen.
Seine Nerven liegen offensichtlich blank. Im Spiel gegen den Weltmeister sah es oft so aus, als ginge es ihm in erster Linie darum, die eigene Haut zu retten. Zum Beispiel, als er nach einem Fehlpass zum WM-Debütanten Adrian Pfahl für jeden sichtbar den Adressaten anraunzt. „So geht das nicht“, tobte Brand während einer Auszeit, „es kommt auch auf die Ehre an. Hier schießt keiner den anderen an“. Eine Aussprache in der folgenden Nacht sollte die Wogen glätten…
Das Dauer-Problem im Rückraum, wo der Motor jeder Mannschaft sitzt, ist nicht so schnell zu beheben. „Ich habe nicht viel davon, wenn Gensheimer oder Klein ein gutes Turnier spielen“, beklagt Brand das Loch in der Zentrale seines Teams. Neben Kraus fordert er vor allem Pascal Hens dazu auf, Führungsqualitäten zu zeigen – auch dies vergeblich. Die beiden Weltmeister von 2007 sind statt tragender Säulen die größten Sorgenkinder der Mannschaft. Nur: Welche Alternativen bieten sich dem Bundestrainer schon? Die sind genau so wenig in Sicht wie eine Alternative für Heiner Brand selbst.
Immerhin werteten Trainer und Spieler den klaren Sieg über Tunesien als Lichtblick und Mutmacher. Brand: „Ich hoffe, dass wir davon möglichst viel mit in die Hauptrunde nehmen können.“