Die Abschiedstournee von Lance Armstrong wird auch im fernen Australien von schweren Doping-Anschuldigungen überschattet. Systematisches Doping, Medikamentenmissbrauch, Gerüchte um eine Verbindung zum Dopingarzt Michele Ferrari bis 2009, Vertuschung von Testergebnissen, und, und, und. In einem 5700 Wörter langen Bericht mit dem Titel "Das Verfahren gegen Lance Armstrong" hat das renommierte amerikanische Magazin Sports Illustrated alte und neue Details zu Armstrongs möglicher Doping-Vergangenheit veröffentlicht und dem siebenmaligen Toursieger die Laune auf der zweiten Etappe der Tour Down Under gründlich verhagelt.
"Ich habe nichts zu sagen", meinte Armstrong am Rande seines letzten Rennens außerhalb der Vereinigten Staaten und legte sich angesichts der bohrenden Fragen mit einem Reporter an: "Kerl, bist Du so dumm? Welcher Teil meiner Aussage ist nicht klar?"
Abschiedstournee wird zum Spießrutenlauf
Der Ärger stand Armstrong ins Gesicht geschrieben. Kein Wunder, entwickelt sich das vorletzte Radrennen seiner einstmals so ruhmreichen Karriere doch zum Spießrutenlauf. Denn der Bericht hatte es in sich. Laut des Artikels soll der Texaner in den späten 90er Jahren das blutsteigernde Medikament HemAssist genommen haben. Das Mittel, das sich noch in der Entwicklungsphase befand, hatte in Versuchen bei Tieren eine erhöhte Sauerstoff-Transportkapazität bewirkt. Das Blatt beruft sich dabei auf Quellen rund um die Ermittlungen im Zuge des Dopingskandals um das frühere US-Postal-Team.
Möglicherweise droht Armstrong diesbezüglich noch in diesem Jahr Ungemach, laufen die Ermittlungen der US-Fahnder um Jeff Novitzky doch auf Hochtouren. Floyd Landis hatte im Mai vergangenen Jahres mit seinem Dopinggeständnis die Ermittlungen ausgelöst, als er schwere Vorwürfe gegen Armstrong und weitere Mitglieder des US-Postal-Teams erhoben hatte. Insbesondere war von systematischem Doping die Rede.
Die Anschuldigungen in der Sports Illustrated gehen aber weiter. In einer Razzia bei Armstrongs Teamkollege Jaroslaw Popowitsch im November dieses Jahres in Italien sollen Dokumente und E-Mails sichergestellt worden sein, die eine Verbindung von Armstrong zum Dopingarzt Michele Ferrari im Jahr 2009 nachweisen sollen. Der frühere Ullrich-Rivale hatte stets betont, dass er seit 2004 nicht mehr mit Ferrari zusammenarbeite.
Landis und Swart erneuern Anschuldigungen
Pikant sind auch die Anschuldigungen in Bezug auf den US-Wissenschaftler Don Catlin, dem früheren Chef des Anti-Doping-Labors in Los Angeles. Zwischen 1990 und 2000 soll Armstrong mehr als 20-mal vom Labor getestet worden sein. Als der amerikanische Verband USA Cycling nach Testergebnissen bezüglich der Testosteron-Werte nachfragte, soll Catlin mitgeteilt haben, dass es kaum möglich sei, bei fünf Proben aus den frühen 90er Jahren die Ergebnisse zu ermitteln. Drei weitere Proben hätten deutlich erhöhte Werte aufgewiesen, seien aber trotzdem als negativ bewertet worden sein. Catlin soll USA Cycling mitgeteilt haben, dass er vergeblich versucht habe, mit weiteren Untersuchungen die erhöhten Werte zu bestätigen.
Auch Floyd Landis erneuerte seine Anschuldigungen gegen Armstrong. Im Jahr 2003 hätten Zollbeamte nach einem Flug nach St. Moritz das Gepäck der US-Postal-Fahrer durchsucht und Spritzen und Dopingmittel gefunden. Die Beschriftung der Präparate sei auf spanisch gewesen. Den Betreuern sei es aber auf Drängen von Armstrong gelungen, die Beamten davon zu überzeugen, dass es sich um Vitaminpräparate und -spritzen handele.
Doping-Anschuldigungen richtete auch Stephen Swart gegen Armstrong. Der Neuseeländer, der 1995 mit Armstrong bei Motorola gefahren war, sagte dem Magazin, dass Armstrong die treibende Kraft in Sachen Doping gewesen sei. Als die Fahrer ihre Hämatokrit werte ermittelt hätten, sei der Wert Armstrongs bei 56 gewesen, was ein klarer Indiz für Blutdoping ist.
Und was sagt das Armstrong-Lager? "Der Bericht ist voll von alten Nachrichten mit den gleichen alten Lügen von den gleichen alten Lügnern", sagte Armstrong-Sprecher Mark Fabiani.