Manchester. Manchester City steckt vor dem spektakulären Duell mit Real Madrid in der größten Krise seit Jahren. Die Mannschaft wirkt ausgelaugt.
Manchester City ist dem Himmel grundsätzlich verbunden, der Klub wird in England gemäß den eigenen Trikotfarben die Skyblues genannt – die Himmelblauen. Seit der Übernahme durch Scheich Mansour 2008, der zur Herrscherfamilie des Emirats Abu Dhabi gehört, fühlen sich die Fans auch real wie im Fußballhimmel. Der einstige Mittelklassebetrieb schoss genauso schnell in die Weltspitze empor wie die Wolkenkratzer am Persischen Golf. Insgesamt hat City acht Premier-League-Meisterschaften in 16 Saisons gewonnen, darunter zuletzt erstmals vier Titel in Serie. Die Dominanz in England basierte auf dem renommierten Trainer Pep Guardiola, einem Luxusspielerkader, sowie der Finanzstärke des Klubs, die mitunter aus dem Vermögen des Besitzers Mansour resultiert.
Doch nun wirkt Manchester City auf einmal wie aus dem Himmel gefallen. Der Verein durchlebt in dieser Saison die größte Krise in der eigenen Abu-Dhabi-Epoche, es droht die erste titellose Spielzeit seit acht Jahren. In der Premier League beträgt der Rückstand auf Tabellenführer Liverpool 15 Punkte, im FA Cup schied man am vergangenen Samstag fast beim Drittligisten Leyton Orient aus und in der Vorrunde der Champions League reichte es nur zu Tabellenplatz 22 von 36. So naht vor dem spektakulären Play-off-Duell gegen Real Madrid am Dienstag (21 Uhr/DAZN) um das Königsklassen-Achtelfinale das Ende einer großen City-Mannschaft. Vielleicht kann sich das Team noch mal zu einem versöhnlichen Abschluss aufrappeln, aber an die einstigen Erfolge wird diese Generation sicher nicht mehr anknüpfen können.
Manchester City mit Ermüdungserscheinungen
Die Spieler machen einen kraftlosen und verunsicherten Eindruck, erste Ermüdungserscheinungen ließen sich bereits in der vergangenen Spielzeit nach dem historischen Triple-Gewinn 2023 ausmachen. Aufgrund der Spielbelastung blieb danach kaum Zeit zur Regeneration. Aus diesem Grund stellte Guardiola seinen Nationalspielern vor dieser Saison frei, wann sie wieder das Training aufnehmen; sie sollten erst aus dem Urlaub zurückkehren, wenn sie das Verlangen spürten, den Ball zu berühren, sagte er. Dazu kamen dann Verletzungen und Formschwächen von Schlüsselspielern.
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Bei den Laufdaten gehören die Citizens zu den schwächsten Klubs der Liga, auch an Zweikampfstärke und Robustheit mangelt es. Immer wieder bricht man ein, die Partien gegen Tottenham (0:4) und Arsenal (1:5) waren die höchsten Pleiten des Serienmeisters in Guardiolas Amtszeit. Der Trainer forderte am Seitenrand Schadensbegrenzung. Doch die Spieler schienen mit den Anweisungen überfordert zu sein – womöglich, weil sie in all den gemeinsamen Jahren immerzu auf Ballbesitzdominanz gedrillt worden waren. Dass City offensichtlich keinen Krisenfußball kann, ist ein wesentlicher Grund dafür, warum man bisher keinen wirklichen Weg aus der Misere gefunden hat.
Krise belastet Guardiola
Die Situation geht auch an Guardiola, 54, nicht spurlos vorbei. Bei seiner Vertragsverlängerung im November räumte er ein, dass dies eigentlich seine letzte Saison hätte sein sollen – aber er könne den Klub nicht im Stich lassen. Im August 2023 musste sich Guardiola kurzfristig während der Saison am Rücken operieren lassen und fiel mehrere Wochen aus. Nun wurde bekannt, dass er sich kürzlich von seiner langjährigen Ehefrau getrennt hat. Sein früherer Barcelona-Spieler Thierry Henry findet, man könne sehen, dass der Trainer gerade nicht wie sonst sei.
Zu all dem belastet Manchester City ein Verfahren der Premier League. Der Verein wurde seitens der Liga wegen schweren Finanztricksereien und unzureichende Kooperation in 130 Fällen angeklagt. Die Vorwürfe erstrecken sich auf den Zeitraum von 2009 bis 2023, also fast die gesamte Zeit unter Eigentümer Mansour. Dabei soll City zur Unterwanderung der Finanzregeln, die vereinfacht gesagt nur begrenzte Verluste und Zuschüsse der Besitzer gestattet, falsche Einkommensangaben gemacht haben. Angeblich wurden Zahlungen von Mansour als künstlich hochgerechnete Sponsorenerlöse in den Bilanzen getarnt. Der frühere Finanzberater des Vereins, Stefan Borson, meinte zu den Anschuldigungen, deren schieres Ausmaß müsste, sofern sie bewiesen würden, „mindestens zum Abstieg“ führen. City bestreitet jegliches Fehlverhalten und bezeichnete die Vorwürfe von Beginn an als „organisierten und eindeutigen“ Versuch der Rufschädigung. Ein Urteil wird für März erwartet.
Vom Ausgang dieses Prozesses wird die Zukunft von Manchester City abhängen. Derzeit ist die Gemengelage in Manchester eher himmelgrau als himmelblau.