Essen/Saalbach. Der Umbruch ist dem deutschen Skiverband in diesem Winter nicht gelungen. In Saalbach droht eine WM ohne Medaillen. Aber auch die Österreicher haben Probleme.
Vor gut einer Woche stand Linus Straßer im Zielstadion auf der Planai und wurde ungewöhnlich deutlich in seiner Kritik. Noch ungewöhnlicher war, an wen sie sich richtete: den eigenen Trainer. Der deutsche Skifahrer war stinksauer, das sah man ihm nach dem Nachtslalom von Schladming an. Straßer hatte seine Führung nach dem ersten Lauf noch verfahren, statt dem ersten Saisonsieg stand am Ende Platz vier zu Buche – und die Schuld sah er bei Stefan Kogler, der den Lauf gesetzt hatte und die eine oder andere Falle einbaute.
Zur Wahrheit gehörte aber auch: Der 32-Jährige war nicht voll da, als es drauf ankam. Wie nahezu das gesamte Team des Deutschen Skiverbands in dieser bisherigen Saison. Einzig Lena Dürr, ebenfalls Slalom-Spezialistin, fuhr dreimal auf das Podest. Erstmals seit 2006 feierte kein Deutscher vor dem Saisonhöhepunkt einen Weltcupsieg. Und dennoch ist das offizielle DSV-Ziel für die an diesem Dienstag beginnende Ski-WM in Saalbach-Hinterglemm, mindestens zweimal Edelmetall abzuräumen.
Ski alpin: Schweiz dominiert mit Odermatt und Co.
„Wenn man es realistisch betrachtet, zählen wir nirgends zu den Medaillenfavoriten“, sagte DSV-Alpinchef Maier. „Aber Totgesagte leben ja bekanntlich immer länger.“ Bei diesen Sätzen dürfte er auch an die Ski-WM in Cortina d’Ampezzo vor vier Jahren gedacht haben, als seine Athletinnen und Athleten vollkommen überraschend vier Medaillen gewannen. Eine davon war Bronze im Teamevent – eben jener Wettbewerb, der am Dienstag zum WM-Start auf dem Programm steht. In Alexander Schmid fehlt dem DSV allerdings ein Topfahrer in dieser Disziplin und die Konkurrenz im Stangenwald ist groß.
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Allen voran die Schweizerinnen und Schweizer dominieren in dieser Saison wieder einmal. Die Eidgenossen um Marco Odermatt und Lara Gut-Behrami sind in vielen Disziplinen das Maß der Dinge. Bei den Männern können zumindest die Norweger noch in den Technik-Disziplinen in die Phalanx einbrechen. Mit gleich vier potenziellen Siegfahrern sind die Skandinavier gesegnet. „Die sind bei den Männern in den technischen Bewerben eine Großmacht“, stellte Herbert Mandl, der Alpin-Chef des Österreichischen Skiverbands, unlängst neidisch fest. Denn nicht einmal die Mutternation des alpinen Skisports scheint bei der Heim-WM gegen die Übermacht der Konkurrenz anzukommen. „Es geht schon darum, die Schweiz zu schlagen, ganz klar. Wir hoffen, dass wir die Zweistelligkeit verhindern können“, sagte Mandl mit Blick auf die Medaillenjagd bis zum 16. Februar. „Die Hoffnungen sind größer als die Erwartungen.“
DSV: Speed-Stars haben Karrieren beendet
Ähnlich lässt sich die Stimmung vor dem Start der WM am Zwölferkogel in Saalbach, wo jeden Tag bis zu 15.000 Zuschauer erwartet werden, auch für das deutsche Team beschreiben. Während in den vergangenen Jahren zumindest das Speed-Team der Männer um den ehemaligen Kitzbühel-Sieger Thomas Dreßen Hoffnung auf Medaillen machte, ist davon in diesem Jahr wenig übrig geblieben. Die Stars der Riege haben im Sommer ihre Rennski in den Keller gestellt, der gebürtige Ennepetaler Andreas Sander hat sich von einer seltenen Krankheit bislang nicht erholen können. So bleibt nur der inzwischen 39 Jahre alte Romed Baumann, der in Abfahrt und Super-G mit einem guten Rennen unter die besten zehn fahren könnte. Bei den Frauen ruhen die Hoffnungen auf Kira Weidle und Emma Aicher, die in diesem Winter allerdings auch noch nicht den Weg auf ein Podium fanden. Von den insgesamt zwölf Athleten und Athletinnen haben eigentlich gar nur fünf die strikte WM-Norm erfüllt.
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Dass trotzdem so viele dabei sind, hängt auch mit einem neuen Wettbewerb zusammen, der erstmals in Saalbach zur Aufführung kommt. Die alpine Kombination, in der die Athleten sowohl in der Abfahrt als auch Slalom starten, gibt es nicht mehr. Stattdessen gibt es nun eine Team-Kombination: Ein Abfahrer und ein Slalom-Spezialist gehen gemeinsam an den Start. So wollen zum Beispiel die beiden US-Superstars Lindsey Vonn und Mikaela Shiffrin gemeinsam nach Gold greifen. Aus deutscher Sicht könnten Weidle und Dürr zumindest für eine Überraschung sorgen, während bei den Männern Baumann und Straßer nur Außenseiterchancen haben dürften. Bis zu vier Teams pro Nation dürfen an den Start gehen.
Den Anfang macht aber der Teamwettbewerb an diesem Dienstag. Der DSV hofft auf einen Medaillen-Start, damit am WM-Abschlusswochenende der Druck auf die beiden realistischsten Hoffnungsträger Dürr und Straßer nicht zu groß wird. Und sich Straßers Stimmung von Schladming am Ende der WM nicht wiederholt.