Oslo. Der Geschäftsführer der Füchse Berlin will das Momentum der italienischen Nationalmannschaft nutzen und eine neue Ära prägen.
Es war ein ungewohnt dezentes Outfit, das Bob Hanning für diesen Anlass gewählt hatte. Der Mann der extravaganten Pullover trug eine blaue Trainingsjacke. Das Wort „Italia“ auf der Brust, das Grinsen im Gesicht. „Das ist ein ganz besonderer Moment. Ich freue mich auf diese Aufgabe“, so der 56-Jährige.
Am Freitag gaben der Geschäftsführer der Füchse Berlin und der italienische Handball-Verband bekannt, dass Hanning ab sofort die Nachfolge von Riccardo Trillini antreten und damit das Amt des Nationaltrainers übernehmen wird. Er will den Aufwärtstrend weiterführen, mit dem sich die Südeuropäer zur größten Überraschung dieser Handball-Weltmeisterschaft aufgeschwungen hatten.
Bob Hanning wird als Nationaltrainer und Talente-Berater fungieren
„Lasst uns das Momentum und die aktuelle Begeisterung nutzen, um den italienischen Handball weiter nach vorn zu bringen“, erklärte Hanning. „Um den italienischen Handball weiterzuentwickeln, müssen wir diesen Weg zusammengehen – mit dem Verband, den Klubs und den Spielern, die alle ihre Rolle haben. Zusammenarbeit und Zusammenhalt sind dabei unser Schlüssel zum Erfolg.“
Der Manager wird in Italien als Trainer und Berater fungieren. Nicht nur für die Männermannschaft des WM-16., auch für den Nachwuchs. Das „Projekt“, wie es Italiens Präsident Stefano Podini ausdrückte, ist für den Olympia-Zyklus bis 2028 angelegt.
In Hannings Vertrag findet sich eine festgeschriebene Prämie, die ausgezahlt wird, wenn die italienische Mannschaft die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles erreicht. „Wir haben uns eigentlich nur darüber gestritten, ob wir in Wein oder in Geld bezahlen“, verriet Hanning mit einem Lachen. „Und da der Verband kein Geld hat, habe ich mich für den Wein entschieden.“
Mit zwei Spielerwechseln zeigt sich die neue Symbiose
Auch wenn Hanning und Podini am Freitag in Oslo locker lustig über ihre Zusammenarbeit plauderten, die Ambitionen sind groß. Nicht nur Olympia soll es sein. Der Eindruck, den die Italiener bei der WM hinterlassen haben, soll in den kommenden Jahren bestätigt, die Voraussetzungen professionalisiert werden. „Wir wollen international nicht nur einen kleinen Besuch gemacht haben“, erklärte Podini. „Wir wollen ständig auf diesem Niveau bleiben. Unser Ziel wird sein, dass unsere Spieler mehr im Ausland spielen.“
Leo Prantner, der am Donnerstag zu den Füchsen wechselte, machte den Anfang. Ein weiterer Profi soll zeitnah beim VfL Potsdam andocken. „Die Zielsetzung ist, dauerhaft bei Europa- und Weltmeisterschaften zu haben“, sagte Hanning. „Die Zielsetzung ist, deutlich mehr Spiele zu gewinnen als zu verlieren. Wir müssen kleine Räder drehen, um etwas zu bewegen.“ Seinen Posten als Geschäftsführer der Füchse wird der Berliner behalten.
Den Aufwand für die Arbeit mit einer Nationalmannschaft bezifferte er Ende des Jahres 2023 auf etwa „60 Tage im Jahr“, als er im Interview mit der Morgenpost verriet, dass ihn eine Aufgabe bei einer kleinen Nationalmannschaft in seiner Karriere noch reizen würde. Dieses Abenteuer beginnt nun im März, mit der EM-Qualifikation gegen Lettland. In Gruppe 4 stehen die Italiener auf Rang drei, hinter Serbien und Spanien. „Der eine oder andere Spieler hat sich heute schon gemeldet“, so Hanning. Unter anderem Domenico Ebner.
Mit einer Sprachlern-App zum Italienisch-Profii
Der Torhüter, mit deutscher und italienischer Staatsbürgerschaft, der sich mit der WM-Teilnahme einen Lebenstraum erfüllt hatte. Am 30 Jahre alten Keeper will sich Hanning ein Beispiel nehmen. Ebner, der in Deutschland aufgewachsen ist, ließ sich von seiner Mutter die italienische Hymne beibringen. „Die Challenge ist, bis zum ersten Spiel im März, in der Sprache die Hymne mitsingen zu können“, sagte Hanning. Dafür hat er sich extra eine Sprachlern-App runtergeladen. Die restliche Kommunikation findet erst mal auf Deutsch und Englisch statt.
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Erfahrung als Trainer hat Hanning, auch wenn es seine erste Anstellung als Nationaltrainer wird. Vor über 20 Jahren trainierte der den HSV Handball, von 2021 bis 2024 betreute er dann den VfL Potsdam, führte die „Adler“ von der Dritten Liga bis in die Bundesliga. Dort übergab er vergangenen Sommer an Emir Kurtagic, um sich wieder mehr auf seine Aufgaben bei den Hauptstadt-Handballern zu konzentrieren.
Erfahrung als DHB-Vizepräsident soll Hanning in Italien helfen
Und auch mit unterschiedlichen Ansichten im Verband kennt sich der einstige Vizepräsident des Deutschen Handballbundes (DHB) aus. „Ich nehme einen gewissen Erfahrungsschatz aus meiner Zeit beim DHB mit“, erklärte Hanning. Von 2013 bis 2021 arbeitete er beim größten Handballverband der Welt. Dabei war der 56-Jährige nicht immer unumstritten, legte gern den Finger in die Wunde und polarisierte mit seinen Meinungen.
Ein Charakterzug, der nicht jedem gefiel, den deutschen Handball aber voranbrachte. Jetzt soll davon Italien profitieren.