Melbourne. Tennis-Ass Eva Lys sorgt bei den Australian Open als Lucky Loserin für Furore. Sie kämpft gegen eine Immunkrankheit und Internet-Hass.

Als Eva Lys am vergangenen Freitag auf Platz 3 des National Tennis Centers grimmig ihre Siebensachen zusammenpackte, konnte sie nicht ahnen, dass sie sechs Tage später die glücklichste Verliererin des ganzen Wanderzirkus sein würde. Klingt paradox – und das war und ist es auch. 

Lys, das größte Talent des deutschen Frauentennis, verlor an jenem 12. Januar in der dritten Qualifikationsrunde der Australian Open gegen die australische Lokalmatadorin Destainee Aiava, das Grand-Slam-Abenteuer am anderen Ende der Welt war vorüber – eigentlich. Vier Tage später, am 16. Januar, wurde es dann kunterbunt, ein Tag der beispiellosen Kapriolen für die 23-jährige. Auf den letzten Drücker, durch den Ausfall einer Kollegin, rückte Lys ins Hauptfeld hinein, „fünf Minuten vor Matchbeginn“ gegen Kimberly Birrell. Ein „kleines Märchen“ sei das alles, fand da schon Bundestrainer Torben Beltz.

Überglücklich bei den Australian Open: Eva Lys.
Überglücklich bei den Australian Open: Eva Lys. © dpa | Manish Swarup

Eva Lys - das bisher verrückteste Stück der jungen Tennissaison

Doch die wundersame Wendung der Geschehnisse geht nun quasi in die Verlängerung. Denn als am gestrigen Donnerstag, dem 18. Januar, am Yarra River zu Melbourne abgerechnet war für Lys, da stand das zupackende Nordlicht auf einmal und zum ersten Mal in der dritten Runde eines Major-Wettbewerbs. „Wortlos glücklich“ sei sie, sagte Lys nach ihrem hart erkämpften 6:2, 3:6, 6:4 gegen die Französin Varvara Gracheva, „ich lebe hier gerade meinen Traum“. Leicht angeheiterte Fans auf dem sogenannten Party-Court 6 stimmten während der ersten Court-Interviews wilde Gesänge an: „Hey Eva, ich will wissen, ob Du meine Freundin werden willst.“

Ausgeschieden, auf gepackten Koffern gesessen, die unverhoffte Chance dann herausragend genutzt – die Lys-Geschichte war das bisher verrückteste Stück dieser jungen Tennissaison. Aber es war auch ein Moment der großen Genugtuung für eine Athletin, die in den letzten Jahren mit großen gesundheitlichen Herausforderungen, aber auch den zuweilen erschütternden Realitäten im Kosmos der Sozialen Medien konfrontiert war. „Ich ziehe meinen Hut vor Eva, wie sie das alles stemmt“, sagte Barbara Rittner, die langjährige Frauenchefin des Deutschen Tennis Bund.

Eva Lys leidet an einer einer rheumatischen Autoimmun-Krankheit

Im Frühling 2024 hatte die in Kiew geborene Lys öffentlich gemacht, an einer rheumatischen Autoimmun-Krankheit zu leiden – der sogenannten Spondylarthritis, die unter anderem für Erschöpfungszustände und Rückenschmerzen verantwortlich ist. Lange Zeit hatte Lys über ihre Probleme geschwiegen, nicht zuletzt, weil sie befürchtete, „dass mir unterstellt wird, nach Ausreden für Niederlagen zu suchen“. Gleichzeitig kämpfte Lys noch an anderer Front, gegen Hass und Hetze auf verschiedenen Internet-Plattformen. Immer wieder stellte die Einser-Abiturientin Personen bloß, die sie in Kommentaren beleidigten, etwa als „nutzlose, lächerliche Figur“ oder als „Schande ohne jedes Talent“. Der Frau eines Hass-Schreibers („Das war eine feige Scheiße, die du abgezogen hast“) schrieb Lys ihrerseits, ob sie wisse, „dass Ihr Mann eine 22-jährige Tennisspielerin auf Instagram beleidige“.

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Lys hat das Potenzial, mit ihrem Powerplay an guten Tagen sehr, sehr viele Rivalinnen in der Weltspitze zu schlagen. Was der 23-Jährigen bisher fehlte, war die Konstanz. Das gleichmäßig hohe Niveau über längere Strecken. „Da ich meine Krankheit inzwischen gut im Griff habe, hoffe ich auch, da mehr Stetigkeit reinzukriegen“, sagte Lys, die sich im WTA-Liveranking (Platz 111) aktuell ihrem Allzeithoch – Platz 105 – stark annähert. Zur Genugtuung auch ihres Vaters Vladimir, eines ehemaligen ukrainischen Davis-Cup-Spielers, der in den Turbulenzen dieser Australian Open abgereist war, bevor seine Tochter es doch noch ins Hauptfeld schaffte. „Er freut sich unwahrscheinlich für mich“, sagte Lys. Ganz nebenbei: Die Familienkasse ist auch ein erheblicher Nutznießer des realen Melbourne-Wahnsinns. Als Drittrunden-Qualifikantin hätte Lys circa 43.500 Euro verdient, nun, als stolze Teilnehmerin der dritten Hauptfeldrunde sind es 175.000 Euro. In Runde drei trifft Lys nun auf die Rumänin Jaqueline Cristian (bisherige Bilanz 3:0).