Essen. Der Klimawandel erschwert es den Verbänden, Wintersport zu betreiben. Wie lange geht es noch gut? ÖSV-Präsidentin Roswitha Stadlober gibt eine Prognose ab.

In diesen Tagen flimmern die wunderschönen Alpenlandschaften wieder durch Hunderttausende Wohnzimmer. Skispringen, Ski alpin, Langlauf, Nordische Kombination – die Wintersportarten dominieren vor allem an den Wochenenden die Fernsehübertragungen der Öffentlich-Rechtlichen. Vergangenen Sonntag sprang Pius Paschke zum Auftakt der Vierschanzentournee in Oberstdorf auf den vierten Rang, Lena Dürr fuhr im Slalom am Semmering auf Platz zwei. Und im Hintergrund dieser sportlichen Höchstleistungen dominieren schneebedeckte Berggipfel die Szenerie. Zumindest in diesem Jahr.

Dass es auch ganz anders geht, verdeutlicht der Rückblick auf die vergangene Saison. Damals mussten die Skispringer auf einem weißen Band in brauner Landschaft landen und auch die Alpinen, Langläufer oder Kombinierer hatten weniger Glück mit den Bedingungen. In aller Regelmäßigkeit fallen Wettbewerbe inzwischen aus, weil die Schneelage nicht mehr ausreicht. „Wir müssen Mutter Natur respektieren. Wir haben den Klimawandel und extrem warme Sommer. Das sind Signale, die wir respektieren müssen“, sagte Markus Waldner, der als Renndirektor Ski alpin der Männer beim Internationalen Skiverband (Fis) arbeitet, einmal. Vor allem in Gebieten, die nicht in den Zentralalpen liegen, gibt es immer häufiger Probleme und Absagen. Der Klimawandel zeigt vor allem in diesen Regionen schonungslos, wie sich der Wintersport in Zukunft entwickeln wird. Und das führt schon jetzt zu Problemen in der Durchführung von Wettkämpfen – nicht nur im Weltcup.

Gletscherskigebiete werden immer intensiver genutzt

„Die Klimaerwärmung ist eine globale Herausforderung, der sich natürlich auch der Skisport stellt“, sagt Roswitha Stadlober, die Präsidentin des Österreichischen Skiverbands (ÖSV), gegenüber dieser Redaktion. „Der Rennkalender muss entsprechend adaptiert und angepasst werden, erste Schritte wurden im Weltcup bereits umgesetzt, indem zum Beispiel im November heuer nur mehr technische Disziplinen wie Slalom oder der Riesentorlauf stattgefunden haben.“ Diese Forderung stellten schon vor Jahren Umweltschutzorganisationen und auch Trainer und Athleten. Der Riesenslalom Ende Oktober auf dem Gletscher von Sölden zum Saisonauftakt ist vielen Menschen weiterhin ein Dorn im Auge.

Roswitha Stadlober ist die Präsidentin des Österreichischen Skiverbands.
Roswitha Stadlober ist die Präsidentin des Österreichischen Skiverbands. © picture alliance / Johann Groder / EXPA / picturede | Johann Groder

Dabei braucht es diese Gletscherskigebiete, damit die Wintersportler sich überhaupt auf die Saison vorbereiten können. Schon im Spätsommer tummeln sich die Athleten und Athletinnen aller Nationen und Sportarten auf den wenigen Schneefeldern der Alpen. Einige Verbände, wie etwa der deutsche Skiverband, schickt seine Sportler auch nach Südamerika, um dort zu trainieren. Umweltbewusst ist dies nicht, nachhaltig ebenfalls nicht. Doch die Gletscher in Österreich und der Schweiz schrumpfen jährlich weiter. Dem Gegenüber nimmt der Betrieb auf ihnen zu. Eine Kombination, die über kurz oder lang zum Scheitern verurteilt scheint.

Eine Verschiebung der Saison wäre eine denkbare Lösung. „Wir richten uns nach den jeweiligen Gegebenheiten. Wir haben in den letzten Jahren bereits den Winter nach hinten verlängert“, sagt Stadlober. „Die Erfahrung hat nämlich gezeigt, dass in den Monaten März, April, Mai die Schneelage auf den Gletschern noch hervorragend ist. Unsere SportlerInnen, wie auch der Nachwuchs, trainieren teilweise bis in den Juni hinein, bei besten Bedingungen.“

Deutscher und Österreichischer Verband arbeiten zusammen

Wintersportverbände wollen Teil der Lösung sein, nicht Teil des Problems. Wie der ÖSV verfolgt auch der Deutsche Skiverband (DSV) eine Nachhaltigkeitsstrategie. „Snowfarming“ ist ein Wort, was in diesem Zusammenhang immer wieder fällt. Der aus Wasser produzierte Schnee und der natürlich gefallene Schnee sollen konserviert werden. Auch die Beschneiung, wie man sie inzwischen aus allen Skigebieten kennt, sei inzwischen deutlich nachhaltiger, heißt es. Weniger Wasser würde benötigt, weniger Energie. Solaranlagen helfen zusätzlich dabei, die Kosten zu reduzieren. Und dennoch sind diese immens hoch.

Längst arbeiten die Verbände in Europa zusammen. ÖSV-Präsidentin Stadlober sitzt der Vereinigung der europäischen Skiverbände vor, spricht von einem intensiven Austausch untereinander. „Auf den Pisten, Loipen und Schanzen mögen wir vielleicht Konkurrenten sein, aber wenn es um die Zukunft des Wintersports geht, dann hält die Skifamilie zusammen“, sagt sie. So ermöglichen die Österreicher häufiger anderen Nationen Trainings in den Skigebieten der Alpenrepublik. Auch in Sachen Organisation von Wettkämpfen, Trainings oder anderen Dingen des alltäglichen Sporttreibens wird sich gegenseitig unterstützt.

Bilder wie diese gibt es immer häufiger: Weiße Schneebänder in brauner Landschaft zerstören das Bild vom makellosen Wintersport.
Bilder wie diese gibt es immer häufiger: Weiße Schneebänder in brauner Landschaft zerstören das Bild vom makellosen Wintersport. © dpa | Patrick Seeger

Doch was bedeutet das für den Skizirkus im Allgemeinen? „Die Skifans müssen sich keine Sorgen machen, dass die Weltcup-Saison in Zukunft nur wenige Wochen dauern wird“, ist sich Stadlober sicher. „Die moderne technische Beschneiung und Snowfarming machen es möglich, Ende Oktober genauso Rennen durchzuführen wie im März. Absagen wird es immer geben, die gab es auch schon, als ich in den 1980er-Jahren noch Rennen gefahren bin. Die Klassiker wie Kitzbühel, Wengen, Adelboden, Schladming, die Vierschanzentournee werden Bestand haben und sicher auch in Zukunft zehntausende Fans begeistern.“

Verbände haben Zukunftsstrategien

Sowohl der ÖSV als auch der DSV setzen bei der Zukunftsstrategie im Wintersport darauf, die Menschen mitzunehmen. „Wintersportvereine und -verbände bieten Kindern, Jugendlichen und Erwachsen vor allem in der dunklen Jahreszeit zahlreiche Bewegungsmöglichkeiten und begeistern abseits von digitalen Medien, Bewegungsmangel und Alltagshektik“, heißt es etwa in der DSV-Nachhaltigkeitsstrategie „Schnee von morgen“. Auch Stadlober setzt auf die Jugend, um sie davon zu überzeugen, wie wichtig der Wintersport sein kann. „Ich persönlich würde mir wünschen, dass jedes österreichische Kind die Möglichkeit erhält, das Skifahren bzw. Langlaufen zu erlernen, und dass der Sport in Österreich auf eine andere Ebene gehoben und auch als wichtiger Teil der Bildung anerkannt wird“, sagt sie. Ähnlich äußern sich auch in Deutschland immer wieder Spitzensportler und Spitzenfunktionäre verschiedener Verbände.

Auch wenn der Klimawandel dem Wintersport zusetzt – die Hoffnung aufgegeben haben die Verantwortlichen noch nicht, ihn auch in Zukunft auszuüben.