Essen. Sie brauchen noch eine Idee für ein Geschenk zu Weihnachten? Wir geben Tipps, welche Sportbücher sich dafür anbieten, und stellen sie vor.
Weihnachten kommt mit großen Schritten näher, die Zeit wird knapp, in der alle Geschenke besorgt werden können. Weil es ja auch mal gerne etwas Kleineres sein darf, liegt bei Präsenten für Sportfans nichts näher als das ein oder andere Buch. Auch in diesem Jahr sind wieder viele gute Werke entstanden, viele über den Fußball, aber auch über andere Sportarten wie Radsport, Boxen und natürlich den Rückblick auf die Olympischen Sommerspiele in Paris. Wir stellen Ihnen hier einige Exemplare vor - viel Spaß beim Lesen unterm Weihnachtsbaum.
Tour de France: Immer nah dran am Hinterrad der Tour-Heroen
Ein ewiger Fortsetzungsroman ist der Sport. Zu den produktivsten Mythenmaschinen gehört die Tour de France, die 1903 von Henri Desgrange uraufgeführt wurde, dem Chefredakteur der Zeitschrift L’Auto. Spätestens seit 1997, als Jan Ullrich als erster Deutscher die Rundfahrt gewann, rufen die 21 Kehren von Alpe d’Huez und Berge wie Mont Ventoux, Tourmalet oder Galibier bei deutschen Fans viele Erinnerungen wach.
Nun hat Stephan Klemm, 56, ein famoses Buch über die Geschichte dieses größten Radsportevents publiziert, es besticht durch mehrere Perspektiven. Da ist zunächst die Sicht des Journalisten, der die Tour insgesamt 15 Mal live erlebt und von ihr erzählt hat; im Sommer reiste er gewissermaßen embedded mit, als er das deutsche Team Bora-hansgrohe begleitete (aber auch einen Tag im Besenwagen, der die letzten Fahrer aufsammelt, mitfuhr). Klemm ist also nah dran am Geschehen und vermag seine Erlebnisse sehr dicht und eindringlich zu erzählen. Auf der anderen Seite hat Klemm Geschichte studiert und besitzt daher die Fähigkeit, die permanenten Grenzüberschreitungen, die zur Tour gehören wie die Tiden der Nordsee, kritisch zu reflektieren. So auch die vielen Dopingskandale. „Die Poesie ist dahin, das Erhabene ist eingeebnet“, kommentierte der Philosoph Peter Sloterdijk 2008 den Telekom-Skandal. Und dennoch bleibt die Tour, wie Klemms wunderbares Buch verdeutlicht, ein Faszinosum unserer Gegenwart. Erik Eggers
Stephan Klemm, Tour de France. Kein Berg zu hoch, kein Weg zu weit, Hamburg 2024 (Edel Sports), 608 Seiten, 36 Euro
Olympia aus völlig neuen Blickwinkeln
Olympische Spiele sind nicht nur die der Athletinnen und Athleten, sondern auch die der Bilder. Kaum ein Augenblick entgeht den TV- und Fotografen-Kameras; jede Emotion, sei es beim wild jubelnden Sieger noch beim untröstlichen Unterlegenen, wird eingefangen. Die Olympischen Spiele in all ihrer Gänze und Großartigkeit in Realzeit am Bildschirm mitzuerleben, bleibt trotzdem nahezu unmöglich. Beachvolleyball unterm Eiffelturm, Reiten in Versailles, Fechten im Grand Palais – es waren die beeindruckenden Kulissen sowie die Rückkehr der Zuschauerinnen und Zuschauer nach zwei Corona-Ausgaben in Tokio und Peking, die der olympischen Bewegung zu dieser kleinen Wiedergeburt verhalfen.
Wenn aber jemand glaubt, nichts von den Sommerspielen in Paris verpasst zu haben, kommen da Sofieke van Bilsen, Max Galys, Paul Hüttemann, Philipp Reinhard und Marvin Ronsdorf um die Ecke und sagen: Denkste! Die vier Herren der Fotografenschöpfung schufen bereits die Bildbände TKY21 und BJNG22 – mit Verstärkung von Sofieke van Bilsen ist nun PARIS24 entstanden. Auf 240 Seiten bietet das Quintett mit exklusiven und fesselnden Aufnahmen Einblicke in die Athletenwelt von Team Deutschland, die es nicht einmal für TV-Zuschauer gab. Eine Kaufempfehlung für Foto-Liebhaber, ein Muss für Fans der deutschen Olympionikinnen und Olympioniken, die als i-Tüpfelchen im Vergleich zu den beiden vorherigen Ausgaben auch noch einen besonderen Beitrag zu diesem Bildband leisten. Andreas Berten
Sofieke van Bilsen, Max Galys, Paul Hüttemann, Philipp Reinhard, Marvin Ronsdorf: PARIS24. 240 Seiten, 49 Euro. Erhältlich unter www.shop.tky21.de
Von den Ursprüngen bis zum Hype der 2. Fußball-Bundesliga
Wussten Sie, dass der FK Pirmasens der schlechteste Zweitligist der Geschichte ist? Greuther Fürth die ewige Tabelle der 2. Bundesliga anführt? Und kein Verein öfter aus dem Unterhaus abgestiegen ist als der 1. FC Nürnberg? Die 2. Liga feierte in diesem Jahr 50-jährigen Geburtstag. Grund genug für Hardy Grüne, die Spielklasse ausgiebig zu würdigen. In „Erstklassig – 50 Jahre 2. Liga“ arbeitet der Autor die Geschichte der 2. Liga auf. Auf über 300 Seiten zeigt Grüne, dessen Herzensverein Göttingen 05 übrigens zu den Gründungsmitgliedern der 2. Liga gehörte, die Geschichte der Liga auf. Von den Anfängen, als im Schnitt nur 6500 Zuschauer in die Stadien strömten, bis in die heutige Zeit, in der sich abgestürzte Traditionsvereine im Teilnehmerfeld tummeln und die Liga als das populärste Unterhaus weltweit gilt. Oder wie es in dem Klappentext heißt: „Von den Anfängen einer zweigleisigen Provinzliga zur schillernden Gegenwart.“
Auf dieser Reise beleuchtet Grüne jede einzelne Saison auf einer Doppelseite – samt Tabelle, Statistiken und Top und Flop. Ebenso porträtiert er prägende Mannschaften und Spieler: von Lothar Emmerich über Ansgar Brinkmann bis hin zu Bakary Jatta. Grüne bedient sich einer anekdotigen Erzählweise und nennt spannende Fakten, so dass für jeden garantiert etwas Neues dabei ist – selbst für diejenigen, die die drei eingangs gestellten Fragen durchweg mit „ja“ beantworten können. Die Zweitliga-Chronik ist aussagekräftig bebildert, kommt mit einem aufgeräumten Layout und hochwertiger Verarbeitung daher. Ein Highlight: das Cover, in dem die Logos aller früheren und aktuellen Zweitligisten als Relief eingeprägt wurden. Etwas zum Anfassen! Was den Inhalt betrifft, kommen Nostalgiker und alle, die es werden wollen, voll auf ihre Kosten. Erik Asmussen
Hardy Grüne: Erstklassig. 50 Jahre 2. Liga. 320 Seiten, 39,90 Euro. Erhältlich unter www.shop.delius-klasing.de
Dokumente der Zeitgeschichte und Info-Schnipsel
Wenn ein Buch das Wort „golden“ im Titel führt, will ihm der herausgebende Verlag eine besondere Wucht verleihen. „Der große Knigge - Gold-Edition“ informiert ähnlich abschließend gründlich über Umgangsformen, wie „Das Goldene Vegetarische Kochbuch“ über die beste Verarbeitung von Lauch. Einen ähnlichen Anspruch hat wohl auch „Das Goldene Buch der Fußball-Weltmeisterschaft“.
Obgleich der Band nicht ganz neu ist, verdient er Beachtung. Die Chronik der Weltmeisterschaften, beginnend in Uruguay 1930 und mit der unseligen WM in Katar 2022 abschließend, lebt zuvörderst von vielen großen - und vor allem außergewöhnlichen Bildern, ungewöhnlichen Dokumente der Zeitgeschichte
Das Fußball-Buch ist ein klassisches Coffee-Table-Buch, von großem Format und im wahrsten Sinne gewichtig, eines, in dem man immer wieder blättert – und das ist wegen der Bilder, aber auch wegen der genretypischen Info-Schnipsel, die dem Leser ohne großen Aufwand zu Angeberwissen zu einstigen Weltmeistern, Stars und Paradiesvögeln vergangener Turniere verhelfen, mit dem man beim nächsten Rudelgucken glänzen kann.
Und natürlich haben die Herausgeber Bernd-M. Beyer und Dietrich Schulze-Marmeling eine ganze Reihe Autoren versammelt, die prägende Figuren und Ereignisse der bisher 22 Fußball-Weltmeisterschaften für den Leser noch einmal lebendig werden lassen. Und mit Diego Maradona, Carlos Menotti oder Roger Milla kann man sehr gut einen Winterabend am Kaffee-Tisch verbringen. Jan Kanter
Bernd-M. Beyer und Dietrich Schulze-Marmeling (Hrsg): Das Goldene Buch der Fußball-Weltmeisterschaft, 494 Seiten, Verlag Die Werkstatt, 49,90 €
Ein Buch voller Wow und Weißt du noch
Javier Caceres ist ein Buch gelungen, das auf fast jeder Seite einen Wow-Moment bereit hält – und ganz, ganz viele Weißt-du-noch-Momente. Dabei ist das Konzept recht unkompliziert: Fußballstars zeichnen ihre besten, schönsten, bedeutendsten Tore. Man muss allerdings erst einmal auf die Idee kommen. Und dann muss man an möglichst viele bedeutende Fußballer kommen. Caceres ist beides gelungen, weil er ohnehin seit vielen, vielen Jahren für die Süddeutsche Zeitung die Größen der Fußballwelt interviewt und irgendwann die Idee hatte, ihnen Stift und Papier in die Hand zu drücken und ihre größten Treffer aufzumalen.
Pelé ist dabei, Franz Beckenbauer, Pep Guardiola, Mario Götze. Und damit natürlich das Weltmeistertor von 2014. Roberto Carlos’ legendärer Freistoß, der die Grenzender Physik austestete. Lothar Matthäus’ Sololauf samt erfolgreichem Abschluss bei der WM 1990 gegen Jugoslawien.
Die Zeichnung dazu: ein typischer Matthäus. Akkurat eingezeichnete Laufwege, die Position der Mitspieler ist samt Nachnamen vermerkt und natürlich darf der Hinweis nicht fehlen, dass es Matthäus’ 75. Länderspiel war. Beckenbauers Bild dagegen: ein Punkt, ein Strich, dann liegt das Runde im Eckigen – er hält sich eben nicht mit unnötigen Details auf, der künstlerisch sehr kindliche Kaiser. Ein Hauch von Impressionismus dagegen bei Gerd Müller, man muss schon sehr wollen, um darin den berühmten Drehschuss aus dem WM-Finale 1974 zu erkennen.
So bietet dieses Buch neben viel Wow und Weißt-du-noch auch reichlich Gelegenheit zum Schmunzeln. (Nicht nur) für jeden Fußballfan eine klare Empfehlung – und ein tolles Weihnachtsgeschenk. Sebastian Weßling
Javier Caceres: Tore wie gemalt. Insel-Verlag, 317 Seiten, 22 €
Die Buch gewordene Netflix-Serie
Wer Sportfan ist und Bücher gelegentlich nach ihrem Aussehen kauft, für den ist „Ali vs. Foreman – 50 Jahre“ genau richtig. Schon das Cover ist ein echter Hingucker. Ein fotografisch großartig eingefangener Moment der Sporthistorie: Vogelperspektive, links am Rand, in weißer Boxhose, steht Mohammad Ali. Er schaut hinab auf seinen Gegner George Foreman, in roter Hose und am Boden. Der Schiedsrichter zählt den benommenen Weltmeister an, der K.o. liegt bereits in der schwülheißen Luft – kurz nach dieser Aufnahme ist die Sensation perfekt: Beim „Rumble in the Jungle“ holt sich Ali die WM-Krone zurück. In Kinshasa im ehemaligen Zaire – heute Demokratische Republik Kongo – liegen ihm erst die Kinder auf den Straßen, dann ein Kontinent und nach dieser Nacht die ganze Welt zu Füßen.
Der Kampf des Jahrhunderts – keine Schwergewichtsschlacht davor und keine danach hat diesen Titel mehr verdient. Zu dieser Erkenntnis ist Bertram Job schon lange gekommen – deshalb ehrt der erfahren Box-Autor das Sportweltereignis, für das vor 50 Jahren auch hierzulande mancher bis tief in die Nacht wach blieb, mit einem besonderen Bildband. Mit Fotos und pointierten Texten begleitet er die US-Kontrahenten auf ihrer Reise, beleuchtet aber auch die Selbstdarstellung eines brutalen Diktators, der sein Volk leiden ließ und sich im Rampenlicht der Stars inszenierte.
Die Faszination des Kampfes packt einen sofort. Im Kopf ergänzt sich dramatische Musik, das Werk ist die Buch gewordene Netflix-Serie. Besonders hübsch: ein kleiner Faktencheck der fünf geläufigsten Mythen. Dass sie sich hartnäckig halten, belegt die immense Strahlkraft dieses Ereignisses weit über den Sport hinaus. Es hat längst Eingang in die Popkultur gefunden. Melanie Meyer
Das letzte Wort in diesem Buch hat George Foreman. Er würdigt darin seinen 2016 verstorbenen Bezwinger. Auch das: einmalig.
Bertram Job: Ali vs. Foreman. 50 Jahre. Die Werkstatt, 194 Seiten, 49,90 €
Gelddruckmaschine Fußball: eine schonungslose Bestandsaufnahme
„Genug geredet! Die Irrwege der Bundesliga und die Inkonsequenz der Fans“ von Christoph Ruf ist ein aufrüttelndes und tiefgründiges Werk, das den aktuellen Zustand des deutschen Profifußballs unter die Lupe nimmt und dabei keine Kompromisse macht. Ruf liefert eine detaillierte und kritische Analyse der Missstände und Fehlentwicklungen in der Bundesliga.
Ein zentrales Thema des Buches ist die wachsende Kluft zwischen den hohen Spielergehältern und den prekären Arbeitsbedingungen der Angestellten in den Fußballvereinen. Ruf spart auch nicht mit Kritik an DFL und DFB, wobei er auch die Perspektive der Fans einnimmt. Er argumentiert, dass die Anhänger oft instrumentalisiert und für dumm verkauft werden, indem ihnen falsche Versprechungen gemacht werden. Aber es geht eben auch anders, wie Ruf beleuchtet: Die kreativen und anhaltenden Fanproteste gegen den Einstieg eines Liga-Investors, die schließlich zum Abbruch der Pläne führten, werden als Beispiel dafür genannt, dass die Fans durchaus Einfluss ausüben können, aber eben auch oft an die Grenzen ihrer Macht stoßen.
Christoph Rufs Werk ist nicht nur eine Kritik. Es ist auch ein Aufruf zur Veränderung und zum Handeln, sowohl für die Verantwortlichen im Fußball als auch für die Fans selbst. Insgesamt unverzichtbar für jeden, der sich für den Zustand des deutschen Fußballs interessiert und bereit ist, in die Tiefe zu gehen. Ruf regt zum Nachdenken an und weckt die Hoffnung auf eine bessere Zukunft des Fußballs. Tizian Canizales
Christoph Ruf: Genug geredet! Die Irrwege der Bundesliga und die Inkonsequenz der Fans, Die Werkstatt, 222 Seiten, 22 €
Feindliche Brüder, zwei Staaten und ein Fußballspiel
Wer verstehen will, warum wir heute so sind wie wir sind, sollte dazu auch in die Vergangenheit blicken. Sportbuchautor Ronald Reng hat das getan. 1974 – eine deutsche Begegnung erzählt nur vordergründig von einem Fußballspiel, der deutsch-deutschen Vorrundenbegegnung bei der WM im eigenen, beziehungsweise im anderen Land.
Eigentlich aber geht es um Wendepunkte. Willy Brandt, Kanzler seit 1969 wollte „mehr Demokratie wagen“ gegen die letzten autoritären Gedanken der Nazi-Zeit, die in junge BRD gerettet hatten. Brandt wollte den „Wandel durch Annäherung“, den Dialog mit dem anderen Deutschland, das sich durch eine Mauer abgeschottet hatte.
Weltveränderer, Rebellen und Terroristen auf der einen, Dissidenten, Spitzel und Spione auf der anderen Seite sind bei Reng mehr als eine schillernde Kulisse für ein Fußballspiel. Schillernde Persönlichkeiten und Biedermänner kommen zu Wort, natürlich auch Nationalspieler aus Ost und West.
Reng hält die Waage, es geht um große Politik, aber auch um den Alltag. Jutta Hölzenbein, Frau des Weltmeisters von 1974, gibt Einblicke in das Leben der Frauen in einer Zeit, in der sie um heute banale Dinge – Auto fahren, Arbeiten gehen – kämpfen mussten. Das alles ist ernst, aber auch ungemein unterhaltsam aufgeschrieben.
Natürlich geht es auch um Fußball, um das 0:1 der BRD gegen die DDR, die das als Sieg im Kampf der Systeme ausschlachtete. Reng beschreibt aber auch den Weg zur Weltmeisterschaft der Mannschaft der um Beckenbauer, Müller, Netzer und Co.
Und wer genau hinschaut erkennt, dass 1974 auch für den Fußball ein bedeutendes Jahr war, die WM einen Sprung in die Mitte der Gesellschaft brachte. Der damalige FAZ-Feuilletonchef Marcel Reich-Ranicki erkannte das unmittelbar, nannte Sport und Literatur „feindliche Brüder“ und schrieb: „Was die Literatur dem Leser bietet, findet man im Stadion ohne Verschlüsselung, ohne Intellekt, ganz und gar unkompliziert.“
Man darf vermuten, dass der einstige Literaturpapst Rengs Buch gemocht hätte, gerade weil es feindliche Brüder zu vereinen weiß. Jan Kanter
Ronald Reng, 1974 – eine deutsche Begegnung, Piper, 430 Seiten, 24€
Einblicke in eine besondere Fußball-Romanze
Fast neun Jahre lang war Jürgen Klopp Trainer des FC Liverpool. In dieser Zeit wurde der Schwarzwälder an der Merseyside zur Legende. Er hauchte dem ruhmreichen Traditionsverein von der Anfield Road neues Leben ein, führte ihn zurück an die Spitze des englischen und des europäischen Fußballs. Doch Klopps Wirken als Cheftrainer der Reds reicht deutlich weiter als der reine sportliche Erfolg. Nicht umsonst schafft es dieses Zitat von Ex-Liverpool-Kapitän Jordan Henderson auf die Rückseite des Buches: „Er hat uns den Glauben an uns zurückgegeben.“
Wie Klopp das geschafft hat, wird auf den 288 Seiten dieses Buches, mit dem der Liverpool Football Club seinen ehemaligen Trainer würdigt, eindrucksvoll nacherzählt. Den Anfang macht der ehemalige Mainz- und BVB-Coach höchstselbst mit einem sehr persönlichen Vorwort, das den Leser mit Pathos und Emotionen – typisch Jürgen Klopp – gleich in das Buch hineinzieht und nicht mehr herauslässt.
Dann begibt sich der Leser auf eine einfühlsam und detailreich erzählte Zeitreise in sechs Kapiteln, von Klopps Antritts-Pressekonferenz am 9. Oktober 2015 bis zum letzten Spiel an der Anfield Road am 19. Mai 2024. Allein mit den gesammelten Wortbeiträgen alter Weggefährten von James Milner, über den heutigen BVB-Kapitän Emre Can und LFC-Legende Steven Gerrard ließe sich ein eigenes Buch füllen. Jeder von ihnen, ob Spieler, Assistent, oder Klubfunktionär, schildert seine eigene Perspektive. So gewinnt der Leser verschiedene Blickwinkel und Einblicke in die knapp neunjährige Fußball-Romanze zwischen Klopp und Liverpool. Eindrucksvoll das umfangreiche Bildmaterial aus dem Archiv des FC Liverpool, mit dem Jürgen Klopp: Die Ära FC Liverpool selbst für Lese-Muffel zum passenden Weihnachtsgeschenk wird. Niklas Scheifers
Liverpool FC, Aus dem Englischen übersetzt von Sonja Kerkhoffs: Jürgen Klopp. You’ll never walk alone. Die Ära FC Liverpool. 288 Seiten, 28 €
Michael Jordan: Held mit Makeln
Damals, als die Ausnahmekarriere von Michael Jordan begann, also in den 1980er-Jahren, da war die Welt noch eine ohne Smartphones, ohne das Internet, ohne Streaminganbieter. Und doch hat der heute 61-Jährige, für viele der bislang beste Basketballer der Geschichte, einen Teil seiner Popularität mittlerweile auch dem World Wide Web zu verdanken, denn 2020 katapultierte die Netflix-Dokumentation „The Last Dance“ Jordans unglaubliche Geschichte auf die Endgeräte (so sagt man das heute).
Jordan hat mit den Chicago Bulls sechsmal den Titel in der nordamerikanischen Basketballliga NBA gewonnen. Aber der 1,98 Meter große Athlet steht für mehr; er hat den Sport in die Popkultur manövriert, hat sich selbst als Marke erschaffen, ist so bis zum Milliardär aufgestiegen. Ein Held. Oder?
Dieser Frage geht Roland Lazenby, 72, in seinem Buch „Michael Jordan – die Biografie“ nach. Akribisch hat Lazenby recherchiert, Interviews mit Trainern, Freunden, Teamkollegen, Familienmitgliedern geführt. Auch mit Jordan hat der Bestsellerautor gesprochen.
764 Seiten umfasst das Werk, das nicht als Lobhudelei daherkommt, sondern Jordan als einen Menschen beschreibt, der, getrieben durch seinen Ehrgeiz, Menschen verletzen konnte, der einen heiklen Umgang mit Glücksspiel hatte und an einem Abend schon mal eine Million Dollar verzocken konnte. Der seinen Vater auf tragische Art und Weise verloren hat.
Es ist ein Buch, das Leser und Leserinnen nur in die Hand nehmen sollten, wenn sie von diesem ikonischen Sportler fasziniert und deswegen bereit sind, so detailreich in Jordans Leben einzutauchen. Ein Buch, über das Jason Hehir, Regisseur der Serie „The Last Dance“ sagt: „Eine meiner Bibeln, ein großartiges Werk.“ Marian Laske
Roland Lazenby: Michael Jordan – die Biografie, Edel Sports Verlag, 764 Seiten, 34 €
Karriere in drei Top-Ligen und ein Meilenstein für den Kampf gegen Homophobie
An den 8. Januar 2014 wird sich Thomas Hitzlsperger sein Leben lang erinnern. Es war der Tag, an dem sich der frühere Nationalspieler öffentlich zu seiner Homosexualität bekannte - als erster und auch mehr als zehn Jahre später immer noch einziger Profifußballer Deutschlands. Wen interessiert, wie Hitzlspergers Gedanken- und Gefühlswelt vor, während und nach diesem Meilenstein für den Kampf gegen Schwulenfeindlichkeit im Fußball und der Gesellschaft aussah, dem sei das Buch „Mutproben“ ans Herz gelegt.
Doch in der Autobiografie des heute 42-Jährigen geht es um viel mehr: Auf mehr als 200 Seiten reflektiert Hitzlsperger seine Karriere als Fußballer, die Fahrt aufnahm, als er sich mit 18 Jahren für einen Wechsel aus der Nachwuchsabteilung des FC Bayern in die englische Premier League entschied. Später feierte Hitzlsperger mit dem VfB Stuttgart die Deutsche Meisterschaft, stand mit der DFB-Elf im Finale der Europameisterschaft 2008 und spielte in Italien für Lazio Rom. In dem gemeinsam mit SZ-Sportjournalist Holger Gertz verfassten Werk setzt sich Hitzlsperger kritisch mit der Branche auseinander, dröselt Widersprüche auf. Er erörtert, wie schwierig es sein kann, als Fußballer wertebasierte Entscheidungen zu treffen. Und wie schwer sich Klubs damit bis heute tun. Erik Asmussen
Thomas Hitzlsperger mit Holger Gertz: Mutproben. Kiepenheuer & Witsch, 218 Seiten, 23€
Niklas Kaul und seine Liebe zum Zehnkampf: Schmerzen, Kopfrechnen und Magie
Manchmal weiß Niklas Kaul auch nicht weiter. Obwohl er sein ganzes Training gewissenhaft auf diesen einen Wettkampf ausgerichtet, sich gequält und ständig verbessert hat, passt es am Ende nicht zusammen. Manchmal ist der Zehnkampf selbst für ihre größten Athleten ein Rätsel. Er weiß: „Der perfekte Zehnkampf ist eine Wunschvorstellung von uns allen – die meistens nicht eintritt.“ Doch genau darin besteht der Zauber, der die Königsdisziplin der Leichtathleten ausmacht. Denn wenn das Pendel andersrum ausschlägt, dann können magische Nächte entstehen. Niklas Kaul hat mehrere erlebt: Als er 2019 mit 21 Jahren überraschend jüngster Weltmeister der Geschichte wurde, als er 2022 in München erst mit dem abschließenden 1500 Meterlauf zu EM-Gold stürmte.
Die rauschhafte Nacht im Olympiastadion ist auch der Einstieg in das Buch „Die Magie des Zehnkampfs“, das der 26-Jährige mit dem Sportjournalisten Achim Dreis geschrieben hat. Es ist weniger eine Biografie als ein Hineinziehen in die Welt der Zehnkämpfer. Die Struktur ist zuweilen etwas unübersichtlich, doch besonders machen das Buch die vielen persönlichen Zitate von Kaul selbst, in denen er Einblicke in seine Gefühlswelt gibt. Seine Beiträge sind mal reflektiert, mal analytisch, immer wieder auch humorvoll. Man hat den angehenden Lehrer direkt im Ohr.
Für Feinschmecker ist Kapitel drei von vier zum komplexen Punktesystem – die Magie geht hier etwas verloren, Kopfrechnen ist gefragt. Aber Quälen gehört zum Zehnkampf ja dazu. Es gibt wohl keine anderen Sportler, die so liebevoll über die Schmerzen bei der Ausübung ihrer Leidenschaft sprechen wie Zehnkämpfer. Hier sind es Legenden wie Frank Busemann und Jürgen Hingsen, die zu Wort kommen. Aber so ist das mit Magie: Sie ist nicht zu erklären, nur zu erleben. Melanie Meyer
Achim Dreis mit Niklas Kaul: Die Magie des Zehnkampfs. Edel Sports, 268 Seiten, 22 Euro