Frankfurt. Kluge Transfers und internationale Spiel: Die Hessen belegen, dass die Machtverhältnisse in der Bundesliga doch nicht zementiert sind.

Unweigerlich kommen dieser Tage die Profis von Eintracht Frankfurt vermehrt mit Handschuhen und Mützen auf den Trainingsplatz. Es ist ungemütlich geworden im Stadtwald, wo das Laub von den Bäumen rieselt und sich die Sonne nicht mehr zeigt. Daher kommt das Europa-League-Heimspiel gegen Slavia Prag (Donnerstag 18.45 Uhr/RTL+) gerade recht, denn zu solchen Anlässen illustriert die rot beleuchtete Arena das Kontrastprogramm zu trüben Herbsttagen. Partien wie gegen den mit viel Respekt empfangenen Tabellenführer aus Tschechien sind für die Vermarktung und das Image gewissermaßen Gold wert.

Eintracht Frankfurt mit Rekordumsatz

Kein Verein hat von der internationalen Bühne in jüngerer Vergangenheit so profitiert wie die Eintracht, um sich von der Bundesliga-Grauzone abzusetzen. Im jüngsten Geschäftsbericht wiesen die Hessen einen Rekordumsatz von 390 Millionen Euro aus. Der Mittelklasse ist der Mehrspartenverein mit seinen 144.000 Mitglieder mit Siebenmeilenstiefel entkommen. „Wir haben in den letzten zehn Jahren bewiesen, dass die Bundesliga nicht zementiert ist“, stellte der neue Finanzvorstand Julien Zamberk Anfang der Woche auf dem Proficamp heraus.

Seitenhieb gegen Eintrachts Ex-Boss

Das war natürlich auch ein Seitenhieb gegen den langjährigen Boss Heribert Bruchhagen, der Anfang des Jahrtausends eine wichtige Konsolidierungsphase der bis dahin oft launischen Diva orchestrierte und immer mit der „zementierten Tabelle“ argumentierte, um eine überbordende Erwartungshaltung zu bekämpfen. Die Eintracht hat allerdings mit dem DFB-Pokalsieg 2018 und den Europa-League-Triumph 2022 diese These kassiert. Im wirtschaftlichen, sportlichen und administrativen Bereich ist der Klub seitdem auf Wachstumskurs.

Er gibt die Richtung vor: Frankfurts Trainer Dino Toppmöller (links) mit seinem Spieler Hugo Ekitike.
Er gibt die Richtung vor: Frankfurts Trainer Dino Toppmöller (links) mit seinem Spieler Hugo Ekitike. © AFP | KIRILL KUDRYAVTSEV

„Wir haben vieles richtig gemacht“, stellte beim Pressegespräch auch Aufsichtsratschef Mathias Beck heraus. Der Nachfolger des schillernden Präsidenten Peter Fischer sagte: „Wenn man sieht, welche Traditionsvereine in der zweiten Liga spielen, kann man verdammt stolz sein, was bei Eintracht Frankfurt geleistet wird.“ Man begreift sich als Leuchtturm mit Vorbildfunktion für jene Klubs, die aus der Historie eine große Strahlkraft mitbringen. In Frankfurt klappt, was in Köln, Hamburg oder Gelsenkirchen nicht gelungen ist: erstklassig vorne mitzumischen.

Nur hat der Erfolg auch seinen Preis: Der Personalaufwand stieg um fast 20 Prozent auf 141 Millionen Euro. Trotz einer Stärkung des Eigenkapitals wird weiteres Geld benötigt, das möglicherweise über Anteilsverkäufe hereinkommt, allerdings muss der e.V. mindestens 60 Prozent der Anteile an der Fußball AG halten. Aktuell sind es 67,89 Prozent. „Wir wollen uns wirtschaftlich so aufstellen, dass wir zum optimalen strategischen Zeitpunkt entschieden können, wann wir jemanden kaufen oder verkaufen wollen“, verdeutlichte Zamberk, der in alle strategischen Entscheidungen der Vergangenheit involviert war.

Omar Marmoush: Frankfurts Überflieger weckt Begehrlichkeiten

Ohne die Europa-League-Teilnahme hätte der Unterschiedsspieler Omar Marmoush wohl bereits im Sommer „im Sinne der Wirtschaftlichkeit“ verkauft werden müssen, aber im Nachhinein sei es ist die beste Entscheidung gewesen, „das nicht getan zu haben“. Wohl wahr: Der 25-jährige Offensivkünstler ist der Überflieger der Saison, angeblich soll nun auch der FC Bayern den ägyptischen Wirbelwind beobachten. So kann es auch hier zu einer Situation kommen, dass man zwar den Spieler nicht abgeben wolle, „es der Markt aber nicht anders hergibt“ (Zamberk).

Als Paris St. Germain 2023 ein Paket über 95 Millionen Euro für Torjäger Randal Kolo Muani schnürte, konnte die Eintracht nicht mehr ablehnen, der Etat für die Saison 2023/2024 wies allein 143 Millionen Euro an Transfererlösen aus. Geld, dass vermehrt auch in hoffnungsvolle Talente gesteckt wird. Den jungen Wilden wie Can Uzun, Nnamdi Collins, Jean-Matteo Bahoya oder dem nicht für die Europa League gemeldeten Nathaniel Brown hat Trainer Dino Toppmöller zuletzt vermehrt vertraut: „Für den Konkurrenzkampf ist es total belebend. Das freut mich total für die Jungs.“

Ihre langfristig angelegten Verträge gehörten zur Transferstrategie unter Sportvorstand Markus Krösche. Dessen ausgeklügeltes Scouting wird auf allen Ebenen gelobt, zumal auf Vorstandsebene Einigkeit besteht, „in Spielerwerte zu investieren“ (Zamberk). Auf 300 Millionen Euro wird der Kaderwert inzwischen geschätzt. Mit einem Altersschnitt von 24,79 Jahren stürmt im Zeichen des Adlers aktuell das jüngste Team der Liga. Viele trauen Eintracht Frankfurt eine ähnliche Rolle wie zuletzt dem VfB Stuttgart zu. Passenderweise kommt es nach dem Heimspiel gegen Prag gleich am Sonntag zum Kräftemessen des aktuellen Dritten beim Vizemeister der Vorsaison.