Essen. Lukas Podolski verabschiedet sich in Köln. Er gehört zu den bekanntesten, aber nicht besten Spielern seiner Generation. Wie hat er das gemacht?
Marcel Koller sitzt in einem kleinen Arbeitszimmer, als er sich per Videotelefonat aus Kairo meldet, im Hintergrund steht eine weiße Lampe, ein buntes Gemälde hängt an der Wand. 33 Grad sei es draußen, schon morgens scheine die Sonne, berichtet der 63-Jährige, der derzeit als Fußballtrainer des ägyptischen Topklubs al Ahly SC arbeitet; und man kann sich fragen, was all das mit der Stadt Köln zu tun hat, durch die der Rhein fließt, in der ein weltberühmter Dom steht, und in der sich ein ebenfalls sehr bekannter Fußballer zu einer Art Wahrzeichen entwickelt hat: Lukas Podolski.
Von Kairo aus bis zur besagten Rheinmetropole bräuchten Abenteuerlustige 55 Stunden mit dem Auto, mit dem Flugzeug dauert es mehr als vier Stunden, Marcel Koller lässt sich dort deshalb nur noch selten blicken. Vor vielen Jahren aber, im November 2003, fing der Schweizer ein kurzes Trainer-Abenteuer beim 1. FC Köln an und holte in dieser Zeit den noch jungen Podolski, damals 18 Jahre alt, aus der A-Jugend zu den Profis. Ein Phänomen sollte entstehen.
Lukas Podolski: Das Karriereende kommt näher und näher
An diesem Donnerstag (20.45 Uhr/ProSieben) verabschiedet sich Lukas Podolski im Kölner Stadion von seinen Fans. 50.000 Zuschauer werden erwartet, Joachim Löw und Hansi Flick sitzen auf der Trainerbank, Manuel Neuer und Kevin Großkreutz stehen auf dem Rasen. „Es berührt mich sehr, dass so viele Fans diesen besonderen Abend gemeinsam mit mir in Müngersdorf erleben möchten“, sagt Podolski, geboren in Polen, aufgewachsen in Köln, mittlerweile 39 alt. Noch steht er bei seinem polnischen Heimatverein Gornik Zabrze unter Vertrag, aber das Karriereende kommt näher und näher.
Der Fußball-Draufgänger haute Bälle mit seinem linken Fuß ins Tornetz, er spielte für den FC Bayern, den FC Arsenal, er gehörte zur deutschen Weltmeister-Elf 2014. 130 Länderspiele stehen in seiner Vita. Doch zur Wahrheit zählt auch, dass der Flügelstürmer zwar zu den bekanntesten deutschen Fußballern seiner Generation zählt, dass es aber noch begabtere Ballkünstler gab. Und dass seine Klubkarriere deswegen gar nicht so schillernd verlief, wie man aufgrund seiner riesigen Beliebtheit meinen könnte.
Dass Podolski trotzdem einen Heldenstatus erlangen konnte, liegt vor allem an seiner kölschen Frohnatur, gemixt mit seiner unnachahmlichen Sprache. Nach den Jahren des Rumpelfußballs verlieh er dem Deutschen Fußball-Bund so wieder etwas Frisches, etwas Freches. „Es ist bitter, wenn jeder Ball, der reingeht, ein Tor ist“, hat er gesagt. Und: „Jetzt müssen wir die Köpfe hochkrempeln. Und die Ärmel natürlich auch.“ Als Bastian Schweinsteiger bei der Weltmeisterschaft 2006 mit blondierten Haaren über den Platz rannte, kommentierte Podolski: „Hat 15 Minuten gedauert, sieht man ja auch.“ Und als sich Welt über den Hosengriff von Bundestrainer Joachim Löw amüsierte, raunte Podolski: „80 Prozent von euch und ich auch kraulen sich auch mal an den Eiern.“ Thema abgeräumt.
Marcel Koller schwärmt von Lukas Podolski: „Den kann ich nicht mehr abgeben“
Das Talent des Linksfußes sei riesig gewesen, erzählt Marcel Koller. „Aber Talent alleine reicht nicht. Podolski hat gearbeitet, geackert, ist in die Zweikämpfe gegangen.“ 2003 übernahm der Trainer den strauchelnden Bundesligisten FC Köln. „Unser erstes Spiel gegen Bochum haben wir verloren, anschließend hat mir unser Manager Andreas Rettig gesagt, dass es ein besonderes Talent in der A-Jugend gebe. Nämlich: Lukas Podolski“, sagt Koller. „Ich habe mir Videos angeschaut, ihn beim Training beobachtet, mir ist direkt sein sehr guter linker Fuß aufgefallen. Also habe ich ihn mitgenommen in unser Kurztrainingslager – und nach kurzer Zeit war mir klar: Den kann ich nicht mehr zurückgeben.“
Podolski habe „schon immer den Schalk im Nacken“ sitzen gehabt, habe sich damals aber auch noch zurückgehalten, erzählt Koller. „Er war neu in der Mannschaft, noch jung, da ging es für ihn zunächst darum, sich gegen die Erfahrenen zu behaupten.“ Die Fans aber hätten den Jungprofi sofort in ihr Herz geschlossen. „Er ist aus der Jugend in die erste Mannschaft gesprungen; und er hat viele entscheidende Szenen gehabt. So etwas lieben sie.“
Lukas Podolski: Längst ein erfolgreicher Unternehmer
Marcel Kollers Arbeit endete in Köln schon im Sommer 2004. Für Lukas Podolski ging die Karriere nun erst richtig los. 2006 wechselte er zum FC Bayern, setzte sich dort jedoch nie durch. Drei später kehrte er zurück an den Rhein, später ging es zum FC Arsenal, zu Galatasaray Istanbul. Parallel dazu entwickelte er sich zu einem Gesicht der deutschen Nationalelf. Seine einfachen Sätze hatten etwas Kultiges, aber sie sorgten dafür, dass er unterschätzt wurde.
Längst hat er sich zu einem Geschäftsmann entwickelt, der ein ausverkauftes Festival veranstaltet, ein Döner-Unternehmen führt. Wenn die Karriere endet, möchte der Kölner sich beim 1. FC einbringen. Eine Fußball-Ikone kehrt zurück.